Süddeutsche Zeitung

Große Koalition:Ausländer-Maut kommt - mit letzten Änderungen

  • Die Ausländer-Maut wird am Freitag im Bundestag verabschiedet.
  • In einer letzten Verhandlungsnacht hat die SPD noch einige Änderungen durchgesetzt.
  • Das Gesetz soll nach zwei Jahren überprüft werden.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Aus der Maut wird die Infrastrukturabgabe

Gerda Hasselfeldt kündigt für den Freitag ein "schönes Ereignis" an. Vor der Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag sitzen ein paar Dutzend Journalisten, die sie immer dienstags in Sitzungswochen zum Gespräch begrüßt. Weiß-blauer Stammtisch nennt sich das Format. Ein schönes Ereignis verspricht sie. Mancher ahnt, was jetzt kommt: Die "Verabschiedung der Infrastrukturabgabe", sagt Hasselfeldt. Erheiterung im Saal.

Wer das Wort Infrastrukturabgabe noch nicht kennen sollte: Im Wahlkampf 2013 nannte die CSU das Projekt noch Ausländer-Maut. Ausländer sollten nämlich nicht länger für "kost' nix" über deutsche Autobahnen fahren dürfen. Das war das Wahlversprechen der CSU. Weil aber eine Maut nur für Ausländer mit europäischem Recht nicht vereinbar wäre, musste sich Verkehrsminister Alexander Dobrindt von der CSU was einfallen lassen. Er entwickelte die Infrastrukturabgabe für alle, die aber nicht mehr Maut heißen darf. Damit deutsche Autofahrer keinen Cent mehr bezahlen als vorher, wird ihnen die Kfz-Steuer um exakt den Betrag erlassen, den sie für die Maut, Verzeihung, Infrastrukturabgabe, zahlen müssen.

Die SPD war immer schon dagegen. Grüne und Linke auch. Ebenso CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel. Sie hat im Wahlkampf 2013 versprochen, mit ihr werde es keine Maut geben. Aber die CSU ist ja nun auch Bestandteil der großen Koalition. Und hat das Ding mit Macht durchgesetzt.

SPD und CDU einigen sich

In der Nacht zum Dienstag dann die endgültige Einigung. Das Ergebnis: Ein 36 Seiten langer Änderungsantrag. Plus einem Entschließungsantrag, in dem sich Union und SPD auf zwölf Eckpunkte in der Verkehrspolitik verständigt haben.

Neu im Gesetz ist vor allem eine Klausel, die eine Überprüfung des Gesetzes nach zwei Jahren vorsieht. Da geht es etwa ums Geld und ob die versprochenen 500 Millionen Euro aus dem Maut-Projekt tatsächlich jährlich zusammenkommen. Es gibt Experten, die kaum mehr als die Hälfte der Einnahmen erwarten. Außerdem sollen der bürokratische Aufwand und der Datenschutz nach Ablauf der zwei Jahre überprüft werden.

Die SPD erzwingt Zugeständnisse

Im Entschließungsantrag hat sich vor allem die SPD durchgesetzt. Sie lässt sich die Zustimmung zur Pkw-Maut mit einer Reihe von Zugeständnissen vergelten: Bis zum 1. Juli 2015 soll die Bundesregierung dem Bundestag ein Gesetz zur bisherigen Lkw-Maut vorlegen. Die soll dann bis Mitte 2018 auf alle Bundesstraßen ausgedehnt werden - bisher müssen Lkw vor allem auf Autobahnen Straßengebühren bezahlen. Das soll pro Jahr zwei Milliarden Euro extra für die Staatskasse bringen. Zudem soll noch bis zum Jahresende ein neuer Bundesverkehrswegeplan als Gesetz vorliegen. Priorität soll dort der Erhalt von Brücken und Schleusen bekommen. Der Erhalt bestehender Verkehrswege bekommt damit Vorrang vor dem Neubau.

Das alles macht die Maut für die SPD zwar zustimmungsfähig. Aber dass sie das Projekt insgesamt für ziemlichen Unsinn hält, will niemand verhehlen. Martin Burkert von der SPD, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag, hält am Telefon mit einem Seufzer fest: "Aus einem schwarzen Raben wird keine Nachtigall." Was seine Fraktion am Ende noch durchsetzen konnte, hält er dennoch für einen Erfolg. "Dobrindt hat lernen müssen, dass wir nicht in Bayern sind, sondern dass er einen Koalitionspartner hat."

Die Maut scheiterte fast an der CDU

Im Grunde sogar zwei. Noch stärker als die SPD haben Teile der CDU sich gegen die Maut gestellt. Auch in der vergangenen Nacht wäre die Einigung fast an der CDU gescheitert. Hier fanden einige, Dobrindt sei der SPD zu weit entgegenkommen, um den Abstimmungstermin in dieser Woche nicht zu gefährden.

Michael Grosse-Brömer (CDU), Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion, bleibt diplomatisch. Auf die Frage, ob er dem Freitag jetzt fröhlich entgegen sehe, antwortet er ausweichend: "Wir sind grundsätzlich gut gelaunt." Die Union stehe aber hinter dem Mautgesetz. Wie sehr das stimmt, wird sich am Freitag zeigen, wenn es zu einer namentlichen Abstimmung kommt. So mancher aus CDU und SPD dürfte Schwierigkeiten haben, der CSU-Ausländer-Maut sein Ja zu geben.

Zumal eine Frage noch nicht abschließend geklärt ist: Was, wenn der Europäische Gerichtshof das Gesetz als diskriminierend für Ausländer einstuft? Dann bleibt entweder, das Gesetz aufzuheben. Oder deutsche Auto-Besitzer mehr als jetzt bezahlen zu lassen, um die Diskriminierung zu beenden. Letzteres gilt als wahrscheinlich. Der CSU würde das Gericht damit womöglich sogar einen Gefallen tun. Nicht wenige in der SPD vermuten, dass so eine Maut für alle der eigentliche Plan der CSU ist.

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