Große Koalition:Ahnengalerie mit Plisch und Plum

Die schwarz-rote Koalition von 1966 bis 1969 mit Karl Schiller und Franz Josef Strauß gilt bis heute als Erfolgsmodell.

Joachim Käppner und Jonas Viering

Bis heute scheiden sich die Geister an der Großen Koalition aus Union und SPD, die von 1966 bis 1969 das Land regierte. Für Sympathisanten dieses Modells gibt es eine verführerische Parallele zu damals: Auch für das Vorbild aus den sechziger Jahren war der Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise die drängendste Aufgabe.

Als Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger von der CDU 1966 seine erste Regierungserklärung hielt, waren mehr als 500000 Menschen ohne Job - wenig im Vergleich zu heute, viel nach dem Maßstäben des Wirtschaftswunderlandes von damals.

Drei Jahre später herrschte beinahe Vollbeschäftigung. Diese beachtliche Leistung liegt dem noch immer verbreiteten Glauben zugrunde, die großen Parteien müssten sich nur zusammenraufen, dann werde man der Krise schon Herr.

Das Hauptverdienst kam damals "Plisch und Plum" zu, wie das ungewöhnliche Gespann aus Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) und seinem Finanzkollegen Franz Josef Strauß (CSU) genannt wurde. Gemeinsam betrieben sie eine investitionsfördernde, antizyklische Wirtschaftspolitik.

Die Kehrseite der Medaille war die alles erstickende Dominanz der großen Parteien: Entscheidungen fielen in informellen Runden, nicht mehr im Bundestag. Der Versuch, durch die Einführung des Mehrheitswahlrechts die kleinen Parteien zu ersticken, scheiterte nur knapp.

Statt der hilflosen Opposition im Plenum wuchs die außerparlamentarische auf der Straße, auch der NPD liefen die Wähler zu. Für die Demokratie sind große Koalitionen also ein zweischneidiges Schwert.

Brandgefährlich

Rot-Grün könnte aber auch eine Minderheitsregierung zu bilden versuchen, toleriert von der Linkspartei. In Deutschland, traumatisiert durch die Erfahrungen der Weimarer Republik, gelten Minderheitenkoalitionen als brandgefährlich.

In Skandinavien dagegen sind sie üblich, in Dänemark gab es in den vergangenen 30 Jahren gar nur eine einzige Regierung, die über eine eigene Mehrheit verfügte. Diese Regierungen waren weder instabil noch politisch gelähmt, und die Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sind erstaunlich.

In der Bundesrepublik gab es nur wenige Minderheitsregierungen. Berühmt geworden ist die in Hessen 1982 bis '85. Die SPD ließ sich von den Grünen tolerieren; die Bürgerschreckpartei reifte in dieser Zeit zum späteren Koalitionpartner, sie wurde also in das System integriert. In Sachsen-Anhalt ließ sich die SPD von 1994 an acht Jahre lang von der PDS dulden, erst mit den Grünen im Kabinett, dann allein. Auch dieses "Magdeburger Modell" holte die zuvor geächtete PDS hinein in die politische Verantwortung, rot-rote Koalitionen im Osten folgten.

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