Süddeutsche Zeitung

Großdemonstration in Rom:Die vierte Gewalt

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"Unsere Freiheit ist bedroht": Bestsellerautor Roberto Saviano demonstriert in Rom mit Tausenden für die Pressefreiheit und gegen Ministerpräsidenten Berlusconi.

Julius Müller-Meiningen

Natürlich war es mehr als eine Demonstration für die Pressefreiheit. Die Veranstalter des italienischen Journalistenverbandes Fnsi hatten die politischen Parteien gebeten, ihre Symbole nicht auf der Piazza del Popolo zu zeigen. Und doch wehten Dutzende Fahnen aus dem linken Spektrum.

Demonstranten, die gegen die Bildungspolitik der Regierung protestierten, schlossen sich der Veranstaltung an. Vereine, Redaktionen, Anhänger der Opposition und einige Gewerkschaften nahmen am Samstag in Rom an der Demonstration für die Pressefreiheit Teil. Was sie einte, war der Protest gegen die Regierung Berlusconi. In zwölf europäischen Städten, darunter Berlin, London, Paris und Brüssel, fanden Solidaritätskundgebungen statt.

Nach Angaben der Veranstalter hatten sich 300.000 Menschen auf der Piazza del Popolo versammelt. Die Polizei sprach von 60.000 Teilnehmern. Die Veranstaltung hatte jedenfalls ein Verkehrschaos im Zentrum der Hauptstadt ausgelöst, alle Zufahrtsstraßen zur Piazza waren verstopft, der Platz selbst voll besetzt.

Kommentatoren werteten die Manifestation schon deshalb als Erfolg, weil sie zeigte, dass es überhaupt deutlichen öffentlichen Protest gegen den übermächtig erscheinenden Ministerpräsidenten gibt.

Dessen Medienkontrolle und Umgang mit Journalisten hatten den Protest ausgelöst. "In Italien werden zwar keine Redaktionen von der politischen Polizei geschlossen und auch keine Journalisten verhaftet, dafür ist aber die Freiheit, für die wir kämpfen, bedroht und die Möglichkeit zu berichten, ohne dafür erpresserische Konsequenzen tragen zu müssen", sagte der Bestsellerautor und Journalist Roberto Saviano. "Was in diesen Tagen passiert, zeigt, dass Wahrheit und Macht nie übereinstimmen."

Die Redner kritisierten die Gängelung und die Einflussnahme der Regierung vor allem auf das italienische Fernsehen. Sieben von zehn Italienern bilden sich dort ihr politisches Urteil. Neben der Macht über Berlusconis Mediaset, den größten Privatfernsehkonzern des Landes, versuchte die Regierung zuletzt immer häufiger auf das Staatsfernsehen Rai Einfluss zu nehmen.

So wurden beispielsweise die Verträge aufmüpfiger Rai-Journalisten nicht wie üblich verlängert. Kritische Sendungen wie "Annozero" oder "Ballaro" wurden auf Druck von Regierungspolitikern verlegt oder als "linke Demagogie" beschimpft. Der Protest richtete sich auch gegen die Millionen-Klagen Berlusconis, der die Zeitungen La Repubblica und L'Unità wegen ihrer Berichterstattung über ihn verklagt hatte.

Der Fnsi-Vorsitzende Roberto Natale forderte das Parlament dazu auf, das kürzlich verabschiedete Abhör-Gesetz zu ändern. Danach drohen Journalisten Haftstrafen bis zu drei Jahren, wenn sie Protokolle abgehörter Telefonate veröffentlichen.

Natale rief Berlusconi dazu auf, die Presse nicht mehr zu beschimpfen. Der Ministerpräsident hatte Journalisten zuletzt als "Schurken" bezeichnet. Die Demonstration nannte Berlusconi eine "Farce". Es sei "teuflisch", eine Demonstration für die Pressefreiheit als Farce zu bezeichnen, antwortete Antonio Sciortino, Chefredakteur der katholischen Tageszeitung Famiglia Cristiana.

Der Regisseur Nanni Moretti sagte am Rande der Veranstaltung, die Linke habe im Kampf gegen Berlusconi versagt. "Die Linke hat in den vergangenen 15 Jahren alles falsch gemacht. Sie hat es aus Unfähigkeit, Schäbigkeit und Narzissmus nicht fertig gebracht, Berlusconi entgegenzutreten."

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