Elizabeth II.:Der lange Abschied

Elizabeth II.: Charles III. wird am Samstag offiziell zum König ausgerufen - gekrönt wird er erst später.

Charles III. wird am Samstag offiziell zum König ausgerufen - gekrönt wird er erst später.

(Foto: Alastair Grant/AP)

Großbritannien und die Welt nehmen Abschied von der verstorbenen Königin - und beobachten mit Spannung die erste Rede Charles III. Die Choreografie der Trauer ist lange eingeübt - und dient einem speziellen Zweck.

Von Stefan Kornelius

Großbritannien hat am Tag nach dem Tod von Königin Elizabeth II. eine genau choreografierte Phase des Abschieds und der Trauer eingeleitet - und gleichzeitig die ersten Schritte in eine neue Zeitrechnung unternommen. Der neue König, Charles III., der in der Thronfolge als Prince of Wales fungierte, traf die ebenfalls gerade erst ernannte Premierministerin Liz Truss und wandte sich in einer Ansprache an die Nation. Am Samstag wird er vor dem Inthronisierungsrat den Eid ablegen. Anschließend wird die Thronbesteigung offiziell ausgerufen.

Das Sterbeprotokoll lässt den neuen König allerdings nur kurz sichtbar werden. Als Zeichen seiner Machtübernahme wird die Trauerbeflaggung im Land für wenige Stunden unterbrochen, ehe die Fahnen wieder auf Halbmast gesetzt werden. Der Thronbesteigungsrat tritt als eine Erweiterung des Kronrats zusammen. Ihm gehören zusätzlich Mitglieder des Oberhauses, des Londoner Stadtparlaments und Vertreter des Commonwealth an. Seine Sitzung und die Proklamation werden erstmals live übertragen.

In einer ersten Fernsehansprache an die Nation sagte der neue König, der Tod seiner Mutter erfülle ihn ebenso wie viele Menschen weltweit mit "tiefer Traurigkeit". Elizabeth II. habe einst versprochen, "ihr ganzes Leben, möge es kurz oder lang sein", dem Dienst an ihren Untertanen zu widmen. Dieses Versprechen habe sie gehalten, er wolle es nun erneuern.

Die ersten Stunden und Tage nach der Todesmeldung sind geprägt von Abschied und nationaler Besinnung. In einem selten erlebten Akt kollektiver Trauer wurde das öffentliche Leben in Großbritannien schlagartig auf den Tod der Königin ausgerichtet. Fußballspiele, Konzerte und andere Großveranstaltungen wurden abgesagt. Die Bank von England vertagte eine Ratssitzung. Das Parlament kam am Freitag zu einer zehnstündigen Gedenksitzung zusammen, unterbrochen nur von der Ansprache des neuen Königs. Überall im Land läuteten zur Mittagstunde die Glocken. An den vielen Residenzen des Staatsoberhauptes und an verschiedenen Orten in London wurden je 96 Salutschüsse aus Kanonen und Haubitzen abgefeuert - einer für jedes Lebensjahr. In der Londoner St.-Pauls-Kathedrale versammelten sich Tausende zu einer Trauerandacht, angeführt von der Premierministerin.

Aber auch in der Welt überschlugen sich führende Politiker mit Beileidsbekundungen. Medien auf allen Kontinenten berichteten ausführlich über die Todesnachricht und über das außergewöhnliche Leben der britischen Königin mit der längsten Regierungszeit aller Zeiten. Die Faszination für das Königshaus in aller Welt ist für Großbritannien ein wichtiges politisches Alleinstellungsmerkmal.

Elizabeth II. war am Donnerstagnachmittag auf Schloss Balmoral in Schottland gestorben. Ihr Sohn und Nachfolger Charles war zu diesem Zeitpunkt bei ihr. Nach dem Tod beginnt eine offizielle Trauerphase. Sie endet am Tag nach dem Staatsbegräbnis, das vermutlich am 19. September stattfindet.

Das höfische Sterbeprotokoll, die zuletzt vor 70 Jahren angewandten Regeln der Proklamation und die traditionsschwere Trauerphase werden die Briten mit der Macht der Krone und der Erbmonarchie konfrontieren. Ähnlich wie bei einer Krönung oder einer Hochzeit im Königshaus ist dies die Stunde der Monarchie, in der die Krone ihre Wirkkraft auf alle Teile des Staates demonstriert. Sei es aus Pietät oder aus Überzeugung: In den ersten Stunden nach dem Tod Elizabeth II. regte sich kein Protest gegen die wuchtige Demonstration, die auch im Tod nicht nachlässt. Gerade die symbolische Aufladung des Todes soll die Übernahme der Königsbürde erleichtern und den Nachfolger als Symbol für die Einheit des Staates und als gesellschaftliche Integrationsfigur in eine Art übermenschliche Rolle hineinheben. In Großbritannien, das nicht über eine geschriebene Verfassung verfügt, werden politische und höfische Rituale als tragende Elemente des Staates angesehen. Die Sinnfälligkeit der Erbmonarchie innerhalb einer Familie wird nicht lautstark hinterfragt.

In der Flut von Zeremonien und Trauerbekundungen verloren die politischen Äußerungen aus der britischen Regierung und der Opposition an Bedeutung. Die amtierende Premierministerin und alle lebenden Vorgänger im Amt würdigten Elizabeth II.: Premierministerin Truss nannte die Verstorbene "eine der größten Führungspersönlichkeiten, die die Welt je gekannt hat". Sie hinterlasse eine "moderne, dynamische Nation, die unter ihrer Führung gewachsen und aufgeblüht sei". Truss, die das Führungsamt erst seit drei Tagen innehat, fällt nun die Aufgabe zu, den Ton für den Nachfolger zu setzen und potenziellen Schaden in der Übergangszeit abzuwehren. Einer ihrer Vorgänger, Tony Blair, wuchs während der vielleicht größten Krise der Elizabeth-Regentschaft über sich hinaus, als er nach dem Tod Prinzessin Dianas die zornige Nation beschwor und den Palast von einem Bruch mit der Öffentlichkeit bewahrte.

So wie die Premierministerin in ihren Beileidsworten das Bild eines gesunden Landes zu zeichnen versuchte, so nutzte auch der Oppositionsführer den Tod, um auf die Krisen im Vereinigten Königreich aufmerksam zu machen. Labour-Chef Keir Starmer sagte, der Verlust nehme dem Land seinen Ruhepol, "seinen größten Trost, exakt in einer Zeit, wo wir diese Dinge am meisten bräuchten".

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