Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:Wie der Austritt Großbritanniens aus der EU ablaufen könnte

Brexit-Befürworter wollen EU-Fördergelder erst mal weiter einstreichen - die Einwanderung aber am besten gleich stoppen. So einfach ist das aber nicht. Für den Austritt gibt es Regeln.

Von Deniz Aykanat

Die Briten haben laut Medien-Prognosen für den Brexit gestimmt. Aber wann genau soll der vollzogen werden? Und wie? Wenn es nach den Brexit-Befürwortern selbst geht, sieht ihr Abgang von der EU-Bühne in etwa so aus: Der ganze Prozess würde etwa vier Jahre dauern. Erst 2020 würde das Land ihrer Meinung nach endgültig aus der EU austreten. In der Zwischenzeit wird verhandelt, wie die künftige Beziehung zwischen Großbritannien und der EU aussehen soll, heißt es auf der Website der offiziellen Wahlkampforganisation "Vote Leave". Demnach solle Großbritannien nicht sofort aus dem Binnenmarkt ausscheiden, auch einen sofortigen Stopp von EU-Fördergeldern solle es nicht geben.

Andere EU-Regelungen hingegen wollen die Brexit-Befürworter ohne Zögern für Großbritannien aussetzen. Beispielsweise solle ein Gesetz "unverzüglich die 'schurkische' Kontrolle des Europäischen Gerichtshofs über die nationale Sicherheit beenden". Und der Fraktionschef der Konservativen im Parlament, Chris Grayling, fordert "echte Schritte zur Begrenzung von Einwanderung".

Nun hat bei diesem Prozess aber auch die EU ein Wörtchen mitzureden. Und wenn man sich die EU-Gesetzgebung einmal genau ansieht, dann klingen die Forderungen der Brexit-Befürworter eher nach Wunschkonzert als nach Realität.

Der Austritt eines Mitglieds aus der EU ist bekanntermaßen ein Novum. Geregelt ist ein solcher Prozess aber sehr wohl, nämlich in Artikel 50 des Vertrages von Lissabon. Er sieht folgende Schritte vor:

  • Zunächst einmal muss Großbritannien dem Europäischen Rat mitteilen, dass es aus der Union austreten will.
  • Der Europäische Rat legt anschließend für sich Leitlinien fest, nach denen über ein Austrittsabkommen verhandelt werden soll. Dies geschieht unter Ausschluss Großbritanniens.
  • Die EU-Kommission oder ein anderes von den Mitgliedstaaten ernanntes Gremium verhandelt anschließend über die Einzelheiten des Austrittsabkommens. Hier wird auch festgelegt, wie die EU und Großbritannien nach dem endgültigen Austritt zueinander stehen werden.
  • Dem Abkommen zum Austritt müssen das Europäische Parlament und eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten (ohne Großbritannien) zustimmen.
  • Ab dem Tag, an dem das Austrittsabkommen in Kraft tritt, gelten die EU-Verträge nicht mehr für Großbritannien.
  • Sollten die EU-Staaten und Großbritannien sich nicht auf ein Austrittsabkommen einigen können, finden die EU-Verträge spätestens zwei Jahre nach Einreichen des Austrittsgesuches automatisch keine Anwendung mehr. Der Europäische Rat (ohne Großbritannien) kann hierfür jedoch eine Fristverlängerung gewähren.

Falls Großbritannien irgendwann zu der Erkenntnis gelangen sollte, dass ein Austritt aus der EU doch keine so gute Idee war, steht es dem Land frei, sich wieder um eine Mitgliedschaft zu bewerben. Dazu muss Großbritannien aber erneut das Beitrittsverfahren durchlaufen.

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