Großbritannien:Was wir über den Cox-Attentäter wissen

British MP Jo Cox dead after being shot and seriously wounded in

In diesem Haus soll der Verdächtige nach dem Tod seiner Großmutter mütterlicherseits zurückgezogen gelebt haben. Er interessierte sich für Gartenarbeit, sagen seine Nachbarn.

(Foto: dpa)
  • Die Polizei hat einen 52-jährigen Mann festgenommen, der die Labour-Abgeordnete Jo Cox getötet haben soll.
  • Derzeit wird über sein Motiv gerätselt - offenbar war der Täter psychisch krank, bestellte aber auch Publikationen einer rechtsradikalen Gruppierung in den USA.
  • Die Tatwaffe hat er möglicherweise selbst gebaut.

Von Julia Ley

Wer ist der Täter?

Schon kurz nach dem Attentat nahm die Polizei unweit des Tatorts im nordenglischen Birstall einen 52-jährigen Mann fest. Weitere Verdächtige soll es demnach nicht geben. Den angeblichen Namen des mutmaßlichen Täters, der bereits in britischen Medien kursiert, wollten die Beamten bislang aber nicht bestätigen.

Was ist über den Mann bekannt?

Er soll nur wenige Minuten vom Büro der getöteten Abgeordneten Jo Cox entfernt in einer Doppelhaushälfte gelebt haben. Seine Nachbarn beschreiben ihn als unauffälligen Einzelgänger, der gerne die Gartenarbeit für andere übernahm und ansonsten eher zurückgezogen lebte.

Medienberichten zufolge wuchs der 52-Jährige bei seiner Großmutter auf. Seit diese vor zehn Jahren verstarb, lebte er allein in dem Haus, das die Polizei nun abgeriegelt hat.

Was ist über seine Motive bekannt?

Die Polizei ermittelt in zwei Richtungen: Einerseits gibt es Hinweise, dass die Tat einen rechtsradikalen Hintergrund haben könnte. Augenzeugen zufolge soll der Mann bei seinem Angriff auf Cox "Britain first" (Großbritannien zuerst) gerufen haben. Der Slogan ist zugleich der Name einer rechtsextremen Partei im Königreich, die angibt, "britische und christliche Werte" verteidigen zu wollen. Ihre Anhänger befürworten einen Brexit, die Labour-Abgeordnete Cox hingegen setzte sich vehement für einen Verbleib ihres Landes in der EU ein.

Britische Journalisten spekulieren nun darüber, ob die Tat etwas mit dem bevorstehenden Referendum zu tun haben könnte. Am 23. Juni stimmen die Briten über einen Verbleib in der Union ab. Bestätigt sind derartige Verbindungen bisher zwar nicht, dennoch haben sowohl Unterstützer als auch Gegner eines Brexits angekündigt, ihre Kampagnen bis auf Weiteres auszusetzen. Die Partei Britain First dementierte umgehend jegliche Verbindung zu dem Attentäter.

Der Verdächtige unterstützte eine Neo-Nazi-Organisation in den USA

Für einen politischen Hintergrund spricht auch, dass der Verdächtige sich offenbar über Jahrzehnte hinweg stark für die National Alliance (NA), eine rechtsradikale Gruppierung in den USA, interessierte. Das berichtet das US-amerikanische Southern Poverty Law Center (SPLW), eine Bürgerrechtsorganisation, die sich gegen Rassismus einsetzt. Die National Alliance sei "über Jahre hinweg die stärkste und gefährlichste Hassgruppe der USA" gewesen, so das SPLC.

Die Autoren des Artikels nehmen Bezug auf Rechnungen, aus denen hervorgeht, dass der mutmaßliche Attentäter über Jahre hinweg Zeitschriften und Handbücher kaufte, die die NA in einem eigenen Verlag herausgab. Mehr als 500 Euro soll er für die Materialien ausgegeben haben. Schon 1999 kaufte er auf diesem Weg eine Anleitung zum Waffenbau. Auch soll er jahrelang den S. A. Patriot abonniert haben: Ein südafrikanisches Magazin, deren Verleger gegen "multikulturelle Gesellschaften" und einen "expansionistischen Islam" kämpfen.

Was weiß der Halbbruder?

Gegen die These einer politisch motivierten Tat sprechen allerdings mehrere Interviews, die ein Halbbruder des mutmaßlichen Attentäters britischen Medien gab. Dem Telegraph sagte er, sein Bruder habe "eine Vergangenheit psychischer Erkrankungen" und sei deshalb in Behandlung gewesen. Er habe auch nie rassistische Tendenzen erkennen lassen, zitiert der Mirror den Halbbruder, der sich selbst als "mixed race" bezeichnet.

Sein Bruder hätte zwar unter einer Zwangsstörung gelitten und sich krampfhaft gewaschen, sei aber nie gewalttätig gewesen. Vielmehr habe er sich über Jahre ehrenamtlich an einer Schule für behinderte Kinder engagiert und sich rührend um seine Mutter gekümmert.

Was ist über die Tatwaffe bekannt?

Augenzeugenberichten zufolge hat der Mann bis zu dreimal auf die Abgeordnete geschossen. Danach soll er mit einem Messer auf sie eingestochen haben. Einer der Augenzeugen sagte, die Pistole habe ausgesehen, als hätte der Täter sie selbst zusammengebaut. Dazu würde auch sein Interesse an Waffenbau passen. Eines der erworbenen Handbücher enthielt eine Anleitung zum Bau einer Kaliber-.38-Pistole. Sie lässt sich aus einfachen Gas- oder Wasserleitungen herstellen.

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