Großbritannien:Theresa May als Studentenführerin

Students March To Demand An End Over Tuition Fees

Studentenproteste in London im November. Die Gebühren hatten die Konservativen zuletzt massiv erhöht.

(Foto: Jack Taylor/Getty)

Die konservativen Tories wollen bei jungen Leuten beliebter werden - und kritisieren Studiengebühren. Eine komplette Abschaffung lehnt die Premierministerin aber ab.

Von Björn Finke, London

Die Premierministerin inszeniert sich als Verbündete der Studenten, als Kritikerin des Hochschulsystems. Die Studiengebühren für junge Engländer gehörten "zu den teuersten der Welt", sagte Theresa May am Montag in einer Rede an einer Hochschule in Derby. In vielen Fällen gelte: "Das Niveau der Gebühren spiegelt nicht die Kosten oder Qualität der Kurse wider." Deswegen soll nun eine Expertenkommission unter Führung des früheren Bankers Philip Augar ein Jahr lang über Verbesserungen nachdenken. Oxford-Absolventin May sagte, sie sei offen für alle Änderungen, mit einer Ausnahme: Eine Abschaffung der Gebühren und die Finanzierung aus Steuermitteln stünden nicht zur Debatte.

Die Systemkritik der Konservativen ist bemerkenswert, denn es war ihre Partei, die 2010 die erlaubte Höchstgrenze für Gebühren trotz massiver Proteste nahezu verdreifachte. In der Rezession nach der Finanzkrise kappte Premier David Cameron die Staatszuschüsse an die Hochschulen. Das Loch sollten höhere Gebühren füllen. Heute dürfen Bachelor-Kurse maximal 9250 Pfund im Jahr kosten, das sind 10 500 Euro. Universitäten bleiben nur bei sehr wenigen Abschlüssen unter dieser Marke. Damit ist das Studium in England teurer als in den meisten anderen Industriestaaten.

Junge Schotten besuchen Hochschulen hingegen kostenlos; die Regionalregierung übernimmt die Gebühren.

May war 2010 Innenministerin und fiel nicht als Gegnerin der Erhöhung auf. Dass sie nun Zweifel äußert, dürfte mit den überraschenden Zugewinnen der Labour-Partei bei den Wahlen im vergangenen Sommer zusammenhängen. Die größte Oppositionspartei war enorm erfolgreich bei jungen Briten. Sie erhielt zwei Drittel aller Stimmen von 18- und 19-jährigen Erstwählern, Mays Tories erzielten hier nur 19 Prozent. Britische Twens bescherten Labour immer noch 40 Prozentpunkte Vorsprung vor den Konservativen. Labours gutes Abschneiden kostete May ihre absolute Mehrheit der Mandate. Seitdem überlegt die Regierung, wie sie bei jungen Menschen beliebter werden kann.

Im Mai sind Kommunalwahlen - das macht die Frage noch dringlicher.

Beim Thema Studiengebühren vertritt der altlinke Labour-Chef Jeremy Corbyn eine Position, die eingängig und bei vielen Betroffenen populär ist: Corbyn will die Gebühren abschaffen. Außerdem will die Partei früheren Studenten ihre Schulden erlassen. Der Staat gewährt für die Gebühren und den Lebensunterhalt Darlehen. Im Durchschnitt häufen Studenten umgerechnet 55 000 Euro Schulden an. Mit der Rückzahlung müssen Briten erst beginnen, wenn sie einen Job gefunden haben. Wer wenig verdient, muss wenig zurückzahlen - oder gar nichts, denn nach 30 Jahren wird der Kredit erlassen. Dafür ist der Zinssatz nicht gerade günstig, er beträgt im Moment bis zu 6,1 Prozent pro Jahr.

Die Expertenkommission wird sich unter anderem der Höhe des Zinssatzes widmen. Zudem sagte Bildungsminister Damian Hinds, er wünsche sich bei der Gebührenhöhe mehr Unterschiede zwischen einzelnen Hochschulen und Fächern. Anstatt einheitlich die maximal erlaubte Summe zu verlangen, sollten Universitäten manche Kurse billiger machen. Der Preis solle die Kosten und "die Vorteile für den Studenten und für unser Land" widerspiegeln. Manche Fachleute bringen die Idee ins Spiel, dass etwa Abschlüsse in Geisteswissenschaften günstiger sein könnten, weil Absolventen im Durchschnitt weniger verdienen als andere frühere Studenten.

Justine Greening, bis Januar Hinds' Vorgängerin auf dem Posten, kritisierte allerdings solche Überlegungen. Sie befürchte Nachteile für die "soziale Mobilität" im Lande, sagte die Konservative: Wären manche Kurse billiger, könnten Studenten aus armen Elternhäusern geneigt sein, diese zu wählen, nur um Geld zu sparen. Dabei könnten andere, teurere Fächer diesen jungen Leuten später bessere Aufstiegschancen ermöglichen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: