Großbritannien:So argumentieren Befürworter und Gegner eines Brexits

Am Donnerstag entscheiden die Briten, ob sie in der EU bleiben oder nicht. Wie die Politiker beider Lager überzeugen wollen.

Von Thorsten Denkler

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Geld

Pound falls over Brexit fears

Quelle: dpa

Leave: Die Zahl muss doch beeindrucken: 350 Millionen Pfund geben die Briten Woche für Woche nach Brüssel. Was damit alles im eigenen Land finanziert werden könnte? Das nationale Gesundheitssystem hätte keine Geldsorgen mehr, alle könnten besser bezahlt werden. Und das ist nur ein Beispiel. "Take Back Control", muss da gesagt werden. Die Kontrolle über das Geld dürfen nur die Briten alleine haben.

Remain: In der Tat, eine beindruckende Zahl. Nur leider falsch. Sie berücksichtigt nicht den Briten-Rabatt, den einst Margaret Thatcher ausgehandelte. Und nicht die Rückzahlungen aus Brüssel für kofinanzierte Projekte und Agrarsubventionen. Allerhöchstens die Hälfte des Geldes bleibt in Brüssel. Die Briten stehen - gemessen am Bruttoinlandsprodukt - an Nummer zehn der Nettozahlerländer in der EU. Also: Kein Grund, sich zu mokieren.

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Handel




On Board The World's Largest Cruise Ship, Royal Cabribbean Curises Ltd.'s Harmony Of The Seas

Quelle: Bloomberg

Leave:
 Die EU hält Großbritannien von den großen Märkten der Welt fern, weil es keine großen Handelsabkommen der EU etwa mit China oder Indien gibt. Und auch (noch) nicht mit den USA. Verlässt Großbritannien als fünftgrößte Wirtschaftsnation der Welt die EU, könnte das Land selbst Handelsabkommen mit den großen Playern abschließen. Und natürlich auch mit der EU. Auf lange Sicht wäre das ein Vorteil.

Remain:
 Von den britischen Exporten gehen 44 Prozent in die EU. Nach einem Austritt müsste das Land ein eigenes Handelsabkommen mit der EU schließen. Das wäre ein langjähriges Unterfangen. Bis dahin wäre Großbritannien mehr oder weniger abgeschnitten vom EU-Binnenmarkt oder müsste hohe Einfuhrzölle entrichten. Jetzt sitzen die Briten mit am Tisch, wenn über Handelsregeln für den gemeinsamen Markt von 500 Millionen Menschen gesprochen wird. Außerhalb der EU könnten sie nur zuschauen. Das schadet der Wirtschaft. 




Im Bild: Ein Containerschiff verlässt Southampton.

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Finanzmarkt

File photo of a worker sheltering from the rain as he passes the London Stock Exchange in the City of London

Quelle: REUTERS

Leave: 
London wird auch außerhalb der EU einer der wichtigsten Finanzplätze der Welt bleiben. Denn die Banken werden bleiben, wenn die Steuern niedrig genug sind.

Remain: 
Die Banken werden aus London fliehen und dorthin gehen, wo die Geschäfte gemacht werden, nämlich in die Euro-Zone, etwa nach Frankfurt. Das könnte das Aus für London als mächtigem Finanzplatz bedeuten, der heute einen wesentlichen Beitrag zu Großbritanniens Wohlstand leistet. 




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Zuwanderung




Straße von Dover aus dem Weltall

Quelle: dpa

Leave:
 Die Regeln zur Freizügigkeit erlauben es jedem EU-Bürger, auch auf der Insel zu leben und zu arbeiten. Das ist vielen Briten zu großzügig. Sie wollen mehr Kontrolle. Großbritannien wird die Immigration aber nur außerhalb der EU nach eigenen Vorstellungen steuern können.

Remain:
 Von der Freizügigkeit profitieren viele Briten, die im EU-Ausland leben und arbeiten. Sie müssten dort nach einem Austritt wohl wie die meisten anderen Nicht-EU-Ausländer behandelt werden. Ein Austritt würde die Grenze wieder auf die Insel bringen. Das Land ist nicht im Schengen-Raum - die Kontrollen am Ärmelkanal etwa finden derzeit auf französischer Seite in Calais statt. Nach einem Austritt wäre die Grenzkontrolle wieder in Dover auf britischer Seite. 




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Arbeitsmarkt

Workers In Offices At Night In London

Quelle: Oli Scarff/Getty

Leave: 
Auch mit einem EU-Austritt sind die Jobs in Großbritannien nicht unbedingt gefährdet. Dafür müsste sich die Insel nur mit günstigen Steuersätzen und Investitionszulagen attraktiver machen für Investoren.

Remain: 
Um die drei Millionen Jobs hängen allein am Export in die EU. Die wären gefährdet, sollte Großbritannien austreten. Kommt die befürchtete Rezession hinzu, sieht es düster aus auf dem Arbeitsmarkt. 


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Demokratie

Pope Francis at the European Parliament

Quelle: dpa

Leave: In Brüssel sitzen ungewählte und unkontrollierbare Kommissare und diktieren dem Rest der EU ihren Willen. Und dann gibt es da noch fünf Präsidenten, von denen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker der einzige ist, den einige vielleicht noch kennen. Großbritannien wird demokratischer, wenn es die undemokratische EU verlässt.

Remain: Keine Frage, die EU hat ein Demokratie-Defizit. Aber der ganze Kommissions-Apparat ist machtlos, wenn nicht die gewählten Staats- und Regierungschefs der EU-Länder im Europäischen Rat und die gewählten Abgeordneten im EU-Parlament ihren Segen zu neuen Richtlinien geben. Die Briten waren immer beteiligt, wenn neue Regeln aufgestellt wurden. Sie können jetzt wählen: Von außen zuschauen, wie die Regeln für den größten Binnenmarkt der Welt vor ihrer Haustür von anderen gemacht werden. Oder dabei sein und das für sie Schlimmste verhindern. Stay ist die bessere Option.

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Gesetzgebung

EU und Großbritannien

Quelle: dpa

Leave:
 Die Brüsseler Überregulierung nervt alle. Um wieder selbst alles alleine regeln zu können, was Großbritannien angeht, muss das Land austreten. "Take Back Control" ist die wichtigste Botschaft.

Remain:
 Die EU-weiten Regeln ermöglichen erst den freien Handel innerhalb der EU. Außerdem ist es eine Illusion zu glauben, die EU-Regeln müssten Großbritannien nicht mehr interessieren, wenn es zum Brexit kommt. Großbritannien wird sich den allermeisten Regeln unterwerfen müssen, wenn es einen Fuß in der Tür zum EU-Binnenmarkt behalten will.

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Kriminalität

UK steps up security at train stations

Quelle: dpa

Leave: 
Die europäischen Regeln zum EU-Haftbefehl erlauben es, dass britische Staatsbürger auch für kleine Delikte wie Diebstahl an EU-Staaten ausgeliefert werden müssen. Ein Austritt würde das beenden. Britische Bürger sollen sich, wo es geht, nur vor britischen Gerichten verantworten müssen.

Remain:
 In das EU-Ausland geflohene Schwerverbrecher, die in Großbritannien eine Straftat begangen haben, können dank der EU-Auslieferungsregeln schnell ins Königreich zurückgeholt und vor Gericht gestellt werden. 




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Souveränität

Lights Go Out To Mark World War One Centenary

Quelle: Getty Images

Leave: 
Das britische Parlament hat - wie alle EU-Staaten - schon einiges an Souveränität eingebüßt. Bleibt das Land in der EU, wird es sogar noch schlimmer werden. Weil es dann heißt, die EU-Staaten müssten noch enger zusammenwachsen.

Remain: 
In einer globalisierten Wirtschaft ist Zusammenarbeit unerlässlich. Ein gemeinsamer Markt erfordert gemeinsame Regeln und eine übergeordnete Instanz, die darüber wacht. Wenn Großbritannien in der EU bleibt, dann soll jedes Land ein Vetorecht gegen eine noch intensivere Zusammenarbeit bekommen. So hat es Premierminister David Cameron mit den anderen EU-Staaten ausgehandelt. 

Es gibt also nichts zu befürchten.

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Verteidigung




Engineers have built the longest amphibious bridge ever made - at

Quelle: dpa

Leave: 
In einer immer enger verflochtenen EU wird irgendwann die Frage nach gemeinsamen Streitkräften auf den Tisch kommen. Die Atommacht Großbritannien hat daran kein Interesse. Schon deswegen nicht, weil eine deutsche Kanzlerin Angela Merkel den britischen Premierminister in militärischen Fragen überstimmen könnte. Die Briten sind eine militärische Weltmacht. Das können und wollen Sie sich nicht gefallen lassen.

Remain: 
Die Europäischen Staaten können nur gemeinsam den äußeren Bedrohungen begegnen. Egal, ob es um die neue russische Politik der Einflusssphären geht oder um den IS. Zusammenarbeit ist existentiell wichtig. Auch für Großbritannien.

© SZ.de/dayk/odg/tba
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