Ein bisschen mehr Optimismus, bitte. Angus Robertson sagt das immer wieder, als er wenige Tage vor diesem so wichtigen Mittwoch im Schottland-Haus in London sitzt. Er hat ein paar internationale Medien eingeladen, im Namen der schottischen Regionalregierung. Angus Robertson ist Schottlands "Minister für Verfassung, externe Angelegenheiten und Kultur", also der ideale Mann, um den kritischen Korrespondenten aus dem Ausland zu erklären, warum Schottland unbedingt eine unabhängige Nation werden muss, und zwar jetzt.
Aber Angus Robertson, 53, ist auch seit mehr als 20 Jahren Politiker in der ersten Reihe seiner Partei, der schottischen SNP, er ahnt also wohl, was passieren wird am Mittwoch. Er baut daher schon mal vor. Was auch immer der Supreme Court am Mittwoch entscheiden werde, sagt Robertson, das werde die Angelegenheit nicht beenden.
Die Angelegenheit, das ist der Versuch der SNP und der schottischen Grünen, ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum in Schottland abzuhalten, genannt "Indyref2". Indyref1 fand 2014 statt, damals entschieden 55 Prozent der Schotten, weiterhin Teil des Vereinigten Königreichs bleiben zu wollen, weniger als erwartet worden war. Im " Scotland Act" von 1998 ist gleich in Paragraph 1 festgehalten, dass die Union zwischen England und Schottland ein "reserved matter" ist, ausschließlich Sache der britischen Regierung in Westminster also.
In der Tat sind die Schotten in allen Umfragen sämtlicher Institute unentschieden
Das heißt, für ein Unabhängigkeitsreferendum braucht Schottland die Zustimmung aus London. Für Indyref1 gab der referendumsfreundliche Premierminister David Cameron seinen Segen, aber Camerons Nachfolger sehen keinen Grund für ein Indyref2. Die schottische Regierung bat daher den Supreme Court um eine Entscheidung in der Frage, ob die Zustimmung aus Westminster tatsächlich nötig ist. Zwei Tage dauerte die Anhörung vor sechs Wochen.
Am Mittwochvormittag nun, Punkt 9.45 Uhr, betrat Robert Reed den Saal im Supreme Court in London. Baron Reed of Allermuir, 66, ist der Vorsitzende des Supreme Courts, Schotte außerdem. Fast eine Viertelstunde lang trug er vor, welche Folgen die Entscheidung des Gerichts haben könne, nämlich "wichtige politische Folgen", die Entscheidung könne "die Glaubwürdigkeit der Union entweder stärken oder schwächen", sagte Reed. Schließlich verkündete er, das Gericht sei einstimmig zu dem Schluss gekommen, dass es auch weiterhin nicht in der Macht der schottischen Regierung liege, über die Unabhängigkeit zu entscheiden.
Premierminister Rishi Sunak begrüßte die Entscheidung, wie auch die Oppositionsparteien in Schottland. Der schottische Labour-Chef Anas Sarwar veröffentlichte ein Statement, in dem er darauf hinwies, dass es in Schottland keine klare Mehrheit für eine Unabhängigkeit gebe. Der richtige Weg für Schottland sei vielmehr, mitzuhelfen, dass die Tory-Regierung in Westminster endlich abgelöst werde, vorzugsweise von Labour, versteht sich.
Schottland sei "kein unterdrücktes Volk", argumentiert der Richter
In der Tat sind die Schotten in allen Umfragen sämtlicher Institute unentschieden, etwa die Hälfte ist für, die andere Hälfte gegen die Unabhängigkeit. Weil aber die Unabhängigkeitsfrage schon bei der letzten Regionalwahl 2021 im Zentrum des Wahlkampfes der SNP stand, sei es doch klar, sagt Angus Robertson, dass eine Mehrheit der Wähler doch für die Unabhängigkeit sei. Nicht zu vergessen sei außerdem: Eine deutliche Mehrheit war schon immer und ist immer noch gegen den Brexit, der das Ergebnis des anderen Referendums ist, das David Cameron zugelassen hat. "Wir können doch nicht dasitzen und zuschauen", sagt Angus Robertson.
In seiner Begründung sagte Richter Reed am Mittwoch auch, Schottland sei "kein unterdrücktes Volk", nur dann aber wäre ein Referendum ohne Konsens der zuständigen Regierung zu rechtfertigen. Die SNP sieht das anders, "die Unabhängigkeit ist nicht nur erstrebenswert, sondern notwendig", sagt Nicola Sturgeon, die Erste Ministerin Schottlands, als sie am Mittwoch nach der Entscheidung bei einer Pressekonferenz auftritt. Sie sei "natürlich enttäuscht", gleichzeitig sei sie froh, dass es jetzt eine klare Entscheidung gebe. Sie respektiere den Richterspruch, aber das ändere nichts daran, dass Schottland unbedingt "dem Brexit-Desaster entkommen" müsse, sagt Sturgeon. Die SNP werde die nächsten Parlamentswahlen daher zu einem De-facto-Referendum umdeuten: Wer SNP wählt, wählt die Unabhängigkeit.
Sturgeon betont, was auch Angus Robertson gesagt hatte: Das Vereinigte Königreich sei "eine freiwillige Vereinigung", aber wenn die Regierung in Westminster den Wunsch nach Unabhängigkeit weiter versage, dann sei dies "keine Partnerschaft". Schottische Demokratie könne "keine Gefangene von Westminster sein", sagt Sturgeon. Aber sie sagt auch: Der Weg zur Unabhängigkeit sei nun noch schwerer geworden. Hinter ihr hängt eine gelbe Leinwand mit der Aufschrift "Stronger for Scotland". Nicola Sturgeon hätte am Mittwoch gerne ein Ausrufezeichen dahinter gesetzt, aber stünde da ein Satzzeichen, wäre es im Moment eher ein Fragezeichen.