Großbritannien:Rottweiler royal

Die Queen verleiht den Verdienstorden an Sportler, Künstler und Schauspieler. Dass sie ihn auch an Politikberater verleiht, wirft ein Schlaglicht auf Vetternwirtschaft.

Von Christian Zaschke

Alljährlich können sich am Neujahrstag gut 1000 Briten darüber freuen, dass sie von der Queen mit einem Verdienstorden bedacht werden. In den "New Year Honours" werden Menschen ausgezeichnet, die sich in besonderer Weise ums Gemeinwohl verdient gemacht haben. Zumindest in der Theorie.

Tatsächlich gibt es in Großbritannien seit Längerem eine Diskussion darüber, ob das System der Ehrungen nicht von der Politik dazu missbraucht wird, Parteispender bei Laune zu halten, Lobbyisten glücklich zu machen und alten Weggefährten Titel zuzuschanzen. In diesem Jahr wird diese Diskussion besonders intensiv geführt, weil bekannt geworden ist, dass der australische Politikberater Lynton Crosby zum Ritter geschlagen werden soll. Crosby war Wahlkampfstratege der Konservativen und gilt als Hauptverantwortlicher dafür, dass sie im Frühjahr die absolute Mehrheit errangen. Dafür bedankt sich Premierminister David Cameron nun.

Obwohl die Königin die Auszeichnungen zweimal im Jahr vergibt, an ihrem offiziellen Geburtstag im Sommer und eben an Neujahr, entscheidet die Politik, wer welchen Orden erhält. Das Gros der Ehrungen geht tatsächlich an Bürger, die sich beispielsweise durch ehrenamtliche Arbeit hervorgetan haben. Sie erhalten in der Regel eine der unteren Stufen des "Verdienstordens des britischen Empires". Wer als Schauspieler lange genug dabei ist, kann sich sicher sein, früher oder später für seine "Verdienste ums Drama" ausgezeichnet zu werden. Erfolgreiche Sportler werden auch gern genommen, der vormalige Tour-de-France-Sieger Bradley Wiggins zum Beispiel darf sich Sir Bradley nennen. Zudem werden stets einige höhere Beamte und Politiker geehrt. David Cameron hat vor zwei Jahren dafür gesorgt, dass sein Friseur für "Verdienste ums Haareschneiden" ausgezeichnet wurde.

Die Kategorie "Verdienste um die Politik" sollte eigentlich verschwinden, um der Vetternwirtschaft in Westminster vorzubeugen. Der frühere Premier Tony Blair schaffte sie 1997 offiziell ab. Dennoch wurden und werden immer wieder Politiker und Politikberater geadelt.

Lynton Crosby, beziehungsweise dann bald: Sir Lynton, ist wahlweise als "australischer Rottweiler", "böses Genie" oder "Rasputin aus dem Outback" bekannt. Ab Mitte der Neunzigerjahre verhalf er der rechtskonservativen Liberalen Partei in Australien zu vier Wahlsiegen in Serie. In Großbritannien führte er den Konservativen Boris Johnson im traditionell linksliberalen London 2008 und 2012 zu zwei Siegen bei den Bürgermeisterwahlen. Sein größter Triumph war aber zweifellos der Sieg der Tories im Mai dieses Jahres. Immer wieder haben Künstler die Auszeichnungen abgelehnt, weil sie sich nicht vom System vereinnahmen lassen wollten. Der große Regisseur Ken Loach begründete seine Absage Ende der Siebzigerjahre so: "Die Ehrungen stehen für alles, was ich verabscheue: Patronat, Unterordnung unter die Monarchie und den Namen des britischen Empires, das ein Monument der Ausbeutung und der Eroberung ist. Ich habe den Titel abgelehnt, weil es kein Klub ist, dem man beitreten will, wenn man sich die Schurken ansieht, die dazugehören."

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