Großbritannien:Ringen um rote Linien

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Theresa May strebt einen Brexit-Kompromiss mit der Opposition an. Doch die gibt sich enttäuscht von den bisherigen Verhandlungen mit den Konservativen. Labour-Chef Jeremy Corbyn will einen ungeregelten Austritt aus der EU verhindern.

Die britische Premierministerin Theresa May hat Kritik aus den eigenen Reihen an ihren Brexit-Gesprächen mit der oppositionellen Labour-Partei zurückgewiesen. Sie habe einen "neuen Ansatz" wählen müssen, erklärte sie am Samstagabend - schließlich gebe es "keine Anzeichen" dafür, dass das mit Brüssel ausgehandelte Austrittsabkommen "in naher Zukunft angenommen werden könnte." Das Papier war zuvor vom britischen Parlament bereits drei Mal abgelehnt worden.

Zugleich drang May auf einen schnellen Kompromiss mit der Labour-Partei: Je länger es dauere, eine Lösung zu finden, desto größer sei das Risiko, dass Großbritannien die Europäische Union überhaupt nicht mehr verlasse, sagte sie.

Am Mittwoch will May bei einem EU-Sondergipfel um eine Verlängerung der Austrittsfrist bis zum 30. Juni bitten. In einem Schreiben an EU-Ratschef Donald Tusk hatte sie am Freitag bereits um einen solchen Aufschub gebeten. Tusk plädiert dagegen für eine flexible Verlängerung der Austrittsfrist um bis zu zwölf Monate. Die EU hatte klar gemacht, dass May für eine Verlängerung einen Plan vorlegen muss, wie es weitergehen soll. Bislang ist der Austritt für den 12. April geplant.

An diesem Montag soll das Oberhaus in London aber weiter über einen Gesetzentwurf beraten, der dem Parlament das Recht gäbe zu entscheiden, wie lange ein Aufschub sein soll, den May beantragen kann.

Die Labour-Partei zeigte sich unterdessen enttäuscht über die bisherigen Verhandlungen mit May. Oppositionschef Jeremy Corbyn forderte von Premierministerin Theresa May eine Verschiebung der roten Linien. "Ich habe bisher keine große Veränderung in der Haltung der Regierung festgestellt", sagte der Labour-Vorsitzende am Samstag der BBC. Er hoffe, dass in der neuen Woche im Parlament eine Entscheidung falle, damit es nicht zu einem harten Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU komme. Labour tritt für einen weicheren Brexit mit einer engen Bindung an Handelsregeln der EU ein. Zudem sollen nach dem Willen der Oppositionspartei weiterhin die im Staatenbund üblichen Standards bei Umwelt- und Arbeitnehmerschutz gelten. Die Labour-Politikerin Diane Abbott sagte in einem BBC-Interview: "Es steht außer Frage, dass das Durcheinander, in dem wir stecken, das Durcheinander von Theresa May ist."

Am Wochenende gab es Spekulationen über eine Revolte gegen May im Kabinett

Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei streiten weiterhin die prognostizierten negativen Konsequenzen eines "No-Deal-Brexits" ab. Sie befürchten, May könne den Forderungen der Labour-Partei nach einer engeren Anbindung an die EU nach dem Brexit nachgeben oder sogar ein zweites Referendum zulassen. Am Wochenende gab es auch Spekulationen über eine Revolte gegen May im britischen Kabinett.

Die Beauftragte des britischen Kabinetts für Parlamentsangelegenheiten, Brexitbefürworterin Andrea Leadsom, schrieb dazu im Sunday Telegraph, eine neue Volksabstimmung wäre "Höchstverrat". Einer der lautesten Brexit-Anhänger, der konservative Abgeordnete Jacob Rees-Mogg, warnte im TV-Sender Sky News am Sonntag, May habe "aktive Entscheidungen getroffen, um unseren Austritt aufzuhalten". Er sagte in Bezug auf den EU-Haushalt: "Wenn wir gezwungen sind, bleiben zu müssen, müssen wir das schwierigste Mitglied sein."

© SZ vom 08.04.2019 / SZ, DPA - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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