Großbritannien:Revolte gescheitert

Labour-Chef Corbyn regt in einem Brief an rebellische Tories und die Oppositionsparteien an, unter seiner Führung einen No-Deal-Brexit zu verhindern. Doch dieses Angebot überzeugt nicht alle Gegner von Premier Johnson.

Von Moritz Baumstieger

Der Plan des britischen Oppositionsführers, einen No-Deal-Brexit durch einen Sturz von Premier Boris Johnson zu verhindern, scheint nach nur einem Tag bereits gescheitert zu sein. Die Vorsitzende der proeuropäischen Liberaldemokraten, Jo Swinson, lehnte am Donnerstag den Vorschlag ab, den Jeremy Corbyn in einem Brief an die Oppositionsparteien und potenzielle Abweichler in Reihen der regierenden Konservativen unterbreitet hatte.

Corbyn hatte in seinem Schreiben für eine Übergangsregierung unter der Führung seiner Labour-Partei geworben, die nach einem "zum frühestmöglichen Zeitpunkt" angesetzten Misstrauensvotum gegen Johnson die Amtsgeschäfte übernehmen solle. Diese Regierung solle nur zwei Ziele verfolgen: umgehende Neuwahlen anzusetzen sowie ein zweites Referendum über einen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union auf den Weg zu bringen.

Johnson ist angetreten, um den Brexit spätestens zum 31. Oktober zu vollziehen - ob mit einem Abkommen mit der EU oder ohne. Der unter seiner Vorgängerin Theresa May ausgehandelte Vertrag fand im Parlament wiederholt keine Mehrheit, Nachverhandlungen lehnt die EU ab. Nach Ansicht Corbyns ist der seit Ende Juli regierende Johnson zu diesem Vorgehen aber nicht berechtigt, das Referendum von 2016 biete kein Mandat für einen ungeregelten Austritt. Das Parlament solle zusammenarbeiten, "um einen schweren Schaden verursachenden No Deal zu verhindern".

Der Meinung sei sie grundsätzlich auch, sagte nun die Liberaldemokratin Swinson. Sie sei bereit, mit jedem zu kooperieren, um Johnson zu stoppen. Doch Corbyn sei in ihren Augen nicht die richtige Person, um eine mögliche Übergangsregierung anzuführen. Swinson warb ihrerseits für ein Übergangskabinett mit einem altgedienten Parlamentarier an der Spitze, namentlich brachte sie den konservativen Kenneth Clarke und die Labour-Abgeordnete Harriet Harman ins Spiel. Beide neigen politisch der Mitte zu, sind die jeweils am längsten amtierenden Mitglieder ihrer Fraktion und dürften im Gegensatz zu Corbyn keine Ambitionen hegen, das Land auch nach Neuwahlen zu regieren. Rebellischen Tories und Unabhängigen dürfte es somit leichter fallen, Harman oder Clarke zu unterstützen als Corbyn, der selbst in seiner Partei polarisiert.

Seit einer Nachwahl in Wales Anfang August regiert Johnson nur noch mit einer Stimme Mehrheit. Swinsons Liberaldemokraten verfügen als viertstärkste Kraft über 14 Sitze - für ein erfolgreiches Misstrauensvotum müsste Corbyn also eine große Zahl an Tories überzeugen, die Sorge vor einem ungeregelten Brexit über die Parteidisziplin zu stellen. Als Reaktion auf Corbyns Brief haben jedoch nur drei Konservative sowie ein Ex-Tory signalisiert, mit Labour verhandeln zu wollen, zudem Abgeordnete der Grünen, der Schottischen Nationalpartei und der walisischen Plaid Cymru.

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