Großbritannien:May kämpft um Mehrheit

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Die britische Premierministerin Theresa May verteidigt im Unterhaus die Ergebnisse der Brexit-Verhandlungen. 95 Prozent des Abkommens mit der EU seien bereits fertig, sagt sie. Allerdings: Bisher hängt alles an den restlichen fünf Prozent.

Die britische Premierministerin Theresa May ist dem Gemurre über ihren Brexit-Kurs mit einem Verweis auf Verhandlungsfortschritte entgegengetreten. Das Scheidungsabkommen mit der EU sei zu 95 Prozent fertig, hieß es in einer Rede, mit der May am Montag nach Angaben ihres Büros das Unterhaus von ihrer Politik überzeugen wollte. Auch der Status von Gibraltar sei geklärt. Dagegen gilt die künftige Gestaltung der Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland immer noch als das kniffligste Verhandlungsproblem. May wandte sich auch direkt an die Wähler. "Die allerletzten Etappen der Gespräche werden die härtesten von allen", schrieb sie im Boulevardblatt The Sun. Doch die Ziellinie sei in Sicht.

Die Premierministerin muss im Parlament nicht nur mit Widerstand der oppositionellen Labour-Partei rechnen. Auch Mays Regierungspartner, die nordirische Democratic Unionist Party und eine Reihe Abgeordneter ihrer Konservativen Partei lehnen den Verhandlungskurs der Regierungschefin ab. Den einen ist May zu nachgiebig gegenüber der EU, den anderen zu kompromisslos. Das schränkt ihren Handlungsspielraum ein, besonders in der Nordirlandfrage.

Die EU und Großbritannien sind sich zwar einig, dass es an der künftigen EU-Außengrenze zwischen Irland und Großbritannien keine Schlagbäume und Zollkontrollen geben soll, damit der Friedensprozess in Nordirland nicht gefährdet wird. Sie streiten sich aber darüber, wie dies zu erreichen ist. Nachdem der EU-Gipfel vergangene Woche keine Einigung gebracht hat, hoffen beide Seiten, noch im Herbst zu einer Einigung zu kommen, damit das Brexit-Abkommen bis zum Austrittsdatum am 29. März ratifiziert ist. Gelingt dies nicht, droht ein ungeregelter Brexit mit schweren Verwerfungen in den Wirtschaftsbeziehungen.

May hatte zuletzt die Idee aufgegriffen, die Übergangsphase nach dem Brexit auf zwei oder mehr Jahre zu verlängern. In diesem Zeitraum soll sich Großbritannien weitgehend an die EU-Regeln halten, während über endgültige Regeln verhandelt wird. Freunde eines harten Bruchs mit der EU reagierten empört, von Überlegungen für einen Misstrauensantrag war die Rede. Wochenendzeitungen bemühten martialische Metaphern und schrieben von einer "Todeszone" für May und Messerstecherei. Der konservative Abgeordnete Grant Shapps sagte, diese Woche sei für May zwar gefährlich, sie sei aber noch immer gut aus solchen Situationen herausgekommen. Der Industrieverband erklärte, die meisten Firmen würden ihre Brexit-Pläne bis Jahresende vorlegen. Dazu könnten Stellenstreichungen, Produktionsverlagerungen ins Ausland und eine Neuordnung der Lieferketten gehören.

© SZ vom 23.10.2018 / AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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