Die britische Regierung hat am Dienstagabend gemeldet, dass es mit der EU eine vorläufige Einigung über einen Austrittsvertrag gebe. Zudem habe man sich auf eine politische Erklärung zu den künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU verständigt. Aus Brüssel war im Laufe des Dienstags zwar zu hören gewesen, dass ein Deal unmittelbar bevorstehe, die Nachricht aus London wurde am Abend aber vorerst nicht kommentiert. Sollte es tatsächlich einen Vertrag geben, der nach dem Austritt des Königreichs aus der EU am 29. März 2019 in Kraft tritt, wäre dies nach mehr als zweieinhalb Jahren ein Durchbruch in den überaus komplexen Verhandlungen.
Noch nie zuvor hat ein EU-Mitgliedsstaat die Union verlassen. Bis zuletzt hatte es so ausgesehen, als würden die Verhandlungen am Status von Nordirland scheitern. Um eine harte Grenze auf der Insel und eine Grenze in der irischen See zu vermeiden, hatte London den Verbleib in einer landesweiten Zollunion vorgeschlagen; allerdings war bis zuletzt umstritten gewesen, ob es London gestattet sein würde, diese Zollunion mit der EU auf alleinigen Beschluss hin zu verlassen oder ob es eine gemeinsame Entscheidung sein müsse, über die letztlich der Europäische Gerichtshof mitentscheidet. Am Dienstagabend waren keine Details bekannt geworden, wie dieser Streitpunkt zwischen London und Brüssel geregelt worden ist.
Im Lauf des Abends nach Bekanntwerden eines Deals hatten sich nach und nach alle Kabinettsmitglieder in der Downing Street eingefunden, um sich von Premierministerin Theresa May über die letzten Einzelheiten des "Withdrawal Agreements" informieren zu lassen. Am Mittwoch um die Mittagszeit soll das Kabinett dann zusammentreten, um über den Vertrag abzustimmen.
Da sich zahlreiche Minister, vor allem die sogenannten Leaver im Kabinett, höchst kritisch über den Brexit-Vertrag geäußert hatten, den May aushandeln wollte, war vorerst nicht klar, ob sich die Premierministerin mit ihrem Plan durchsetzen würde. Aus Sicht der Kritiker steuert May auf eine Art Semi-Brexit zu, bei dem Großbritannien zwar über die gemeinsame Zollunion weiter an die Europäische Union gefesselt wäre, politisch aber nicht mehr mitreden könnte.
In London hält man es durchaus für möglich, dass einige Kabinettsmitglieder zurücktreten und der Deal nicht durchgeht. Auch im Parlament, in dem die Abgeordneten im Dezember - nach dem EU-Gipfel und der Zustimmung der EU-Mitgliedsstaaten - dem vorliegenden Deal zustimmen müssten, ist eine Mehrheit nicht gewiss. Die protestantische, nordirische DUP, die Mays Regierung stützt, hat bereits massive Zweifel angemeldet. Und Labour-Chef Jeremy Corbyn sagte am Dienstagabend: "Wir werden uns den Deal anschauen - und die Details, wenn sie veröffentlicht werden. Von dem, was wir bisher über die katastrophalen Verhandlungen wissen, ist es unwahrscheinlich, dass ein guter Deal für das Land herausgekommen ist."