Großbritannien: Labour in der Krise:Alles Statische muss sterben

Nach 13 Jahren an der Macht droht der sozialdemokratischen Labour-Partei ein Debakel. Schuld daran sind die erstarkten Liberaldemokraten - und nicht zuletzt Gordon Brown selbst.

Wolfgang Koydl

Ein paar Wochen ist es erst her, dass die Labour-Partei Abschied von ihrem verstorbenen früheren Führer Michael Foot nahm. Wie es sich bei solchen Anlässen geziemt, wurde pietätvoll verschwiegen, dass der Alt-Linke als schlechtester Führer galt, den die Partei je hatte. Bei den Unterhauswahlen 1983 erzielte er kümmerliche 28 Prozent.

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Die Bühne für das dritte und letzte TV-Duell am 29. April in Birmingham.

(Foto: Foto: rtr)

Wie es aussieht, wird Foots Nachfolger Gordon Brown von einem solchen Resultat nur träumen können. Wenn sich nichts Dramatisches ändert, wird die Partei unter seiner Führung beim Wahlgang am kommenden Donnerstag auf ihre Kernwählerschaft von 25 Prozent der Stimmen zusammenschnurren. Manche Labour-Leute sähen es mittlerweile sogar schon als Erfolg, wenn die Partei auf dem zweiten Platz landen würden, und nicht - wie prognostiziert - hinter Konservativen und Liberaldemokraten.

Dass es die Regierungspartei nach 13 Amtsjahren und unter der Führung eines uncharismatischen Premiers bei der Wahl schwer haben würde, war den Parteistrategen lange klar. Dennoch hatten sie zunächst Hoffnung geschöpft, als der lange Zeit als uneinholbar erscheinende Vorsprung der konservativen Tories wegschmolz. Sogar ein Sieg schien plötzlich wieder in Reichweite zu rücken. Doch der Aufstieg der Liberaldemokraten zu einer ernsthaften dritten Kraft hat Labour in eine Existenzkrise gestürzt:

"In der Politik ist es so, dass alles Statische sterben kann", vertraute ein Labour-Minister anonym der Times an. "Nur was dynamisch ist, überlebt." Er ließ keinen Zweifel daran, wo er seine Partei sieht: "Unser Wahlkampf ist ein Symptom für ein größeres Problem. Wir haben keinen klaren Daseinszweck mehr."

So unübersehbar ist die Panik in der Parteispitze, dass man mit Schuldzuweisungen gar nicht mehr den Wahltag abwartet. Wie seit Jahren verläuft die Trennlinie zwischen den Reformern um Ex-Premier Tony Blair und den Vertretern des linken Traditionsflügels. Personalisiert wird die Spaltung durch zwei Männer, die sich als Nachfolger für Brown ins Spiel bringen: Außenminister David Miliband für die Modernisierer, Schulminister und Brown-Intimus Ed Balls für die Traditionalisten.

Dass Brown selbst die Wahl politisch nicht überstehen wird, gilt als ausgemacht. Nicht einmal eine Koalitionsabsprache mit den Liberaldemokraten könnte ihn retten. Deren Parteichef Nick Clegg hat klargemacht, dass er mit Brown nicht kooperiert. Einen Abgang mit Würde scheint sich Brown nun selbst verbaut zu haben. Mit unbedachten Bemerkungen nach einem Treffen mit einer Wählerin hat er ziemlich unzeremoniell politisch Selbstmord begangen:

Er beschimpfte die ältere Frau am Mittwoch als "borniert", als er sich unbeobachtet glaubte. Zuvor hatte er sich vor laufenden Kameras höflich und scherzend von ihr verabschiedet. Dieses Verhalten nennt man Heuchelei, Wähler goutieren es nicht. Am wenigsten bei einem Premierminister - auch wenn dieser sich später in einem persönlichen Gespräch bei der Frau entschuldigte.

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