Großbritannien im Spähskandal:"New York Times" soll Snowden-Infos vernichten

Satellite dishes are seen at GCHQ's outpost at Bude, close to where trans-Atlantic fibre-optic cables come ashore in Cornwall, southwest England

Ein Außenposten des britischen Nachrichtendienstes GCHQ in Cornwall im Südwesten Englands.

(Foto: KIERAN DOHERTY/REUTERS)

Nach dem britischen "Guardian" nun auch die "New York Times": Großbritannien soll die Chefredaktion der US-Zeitung zur Vernichtung der Snowden-Dokumente aufgefordert haben. Der "Guardian" soll von der Regierung in London bereits dazu gezwungen worden sein.

Großbritannien soll von der New York Times verlangt haben, Dokumente des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden zu vernichten. Ein ranghoher Vertreter der britischen Botschaft in Washington sei deswegen bei der Chefredakteurin der Zeitung, Jill Abramson, vorstellig geworden, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Das Blatt habe aber nicht darauf reagiert. Auch von britischer Seite habe es seitdem keine Aufforderungen mehr gegeben, dass die Zeitung die Informationen über das geheimdienstliche Ausspähen von Internetnutzern und Telefonkunden vernichtet. Die New York Times wollte sich nicht dazu äußern.

Ein Sprecher der britischen Botschaft sagte lediglich, dass es niemanden verwundern dürfte, wenn man an eine Person herantreten würde, die dieses Material besitze. Snowden hatte nicht nur das Spähprogramm des US-Geheimdienstes NSA sondern auch Informationen über ähnliche Aktivitäten des britischen Dienstes GCHQ ans Tageslicht gebracht. Der britische Guardian und andere Medien veröffentlichten die Enthüllungen.

Die Zeitung wurde nach eigenen Angaben von der Regierung in London zur Vernichtung der Snowden-Dokumente gezwungen.

Zusammenarbeit mit US-Zeitung

Um dem Druck der britischen Regierung zu entgehen, kündigte der Guardian daraufhin eine Kooperation mit der New York Times an. Das britische Blatt werde bei der Veröffentlichung vertraulicher Geheimdienstdokumente künftig mit der US-Zeitung zusammenarbeiten, hatte der Guardian am Samstag bekannt gegeben. "In einem Klima intensiven Drucks der britischen Regierung hat sich der Guardian dazu entschieden, einen US-Partner hinzuzuziehen, um an den GCHC-Geheimdienstdokumenten von Edward Snowden zu arbeiten", heißt es in einer Erklärung der Zeitung. US-Redaktionen seien verfassungsmäßig vor dem Eingriff staatlicher Stellen geschützt.

Einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zufolge soll auch die interne Kommunikation des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira Ziel der NSA-Spionage gewesen sein. Demnach soll aus einem Erfolgsbericht des "Network Analysis Center" der NSA hervorgehen, dass es gelungen sei, die besonders geschützte Kommunikation des Nachrichtensenders zu knacken. Weiterhin soll beispielsweise auch das Buchungssystem der russischen Fluglinie Aeroflot ausspioniert worden sein. Mit einer Maschine der Fluglinie war Snowden im Juni von Hongkong aus nach Moskau geflüchtet.

Indes dementierte Edward Snowdens russischer Anwalt Anatoli Kutscherena einen Bericht der russischen Zeitung Kommersant, demzufolge der frühere Geheimdienstmitarbeiter vor seiner Flucht nach Moskau mehrere Tage im russischen Generalkonsulat in Hongkong verbracht haben soll. "Edward hat mir gesagt, dass er niemals irgendeine diplomatische Vertretung aufgesucht hat und dass derartige Berichte alle nicht stimmen", sagte der Anwalt ebenfalls der Zeitung Kommersant. "Er hat niemals mit unseren Diplomaten gesprochen, als er in Hongkong war."

Der Kommersant hatte Anfang der Woche unter Berufung auf einen Vertrauten von Snowden berichtet, dass der Computerexperte mehrere Tage im russischen Konsulat in Hongkong gewesen sei und dort sogar seinen 30. Geburtstag gefeiert habe, bevor er Ende Juni nach Moskau flog.

Derzeit hält sich Snowden in Russland, wo er temporäres Asyl erhalten hat, an einem geheimen Ort auf. Laut Kutscherena verbringt er seine Zeit damit, Russisch zu lernen und Werke russischer Autoren zu lesen. Über seine nächsten Schritte wolle der US-Bürger erst nach einem Treffen mit seinem Vater entscheiden. Dieser werde bald in Russland erwartet.

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