Großbritannien:Hoffnung im Brexit-Streit

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"Substanzieller Vorschlag": Nach einem Treffen in Liverpool geben sich der britische Premier Johnson und sein irischer Kollege Varadkar optimistisch. Ist doch noch eine Einigung in der Irland-Frage möglich?

Von Alexander Mühlauer, London

Nach einem Treffen des britischen Premierministers Boris Johnson mit seinem irischen Amtskollegen Leo Varadkar ist die Hoffnung auf eine Lösung im Brexit-Streit gestiegen. Ein Deal bis zum 31. Oktober sei noch möglich, sagte Varadkar am Donnerstagabend nach seinem Gespräch mit Johnson in der Nähe von Liverpool. Vor seinem Rückflug nach Irland bewertete Varadkar das Treffen als "sehr positiv und sehr vielversprechend". In einer gemeinsamen Erklärung kurz nach dem Gespräch war der Ton von Varadkar und Johnson noch etwas vorsichtiger gewesen: "Sie waren sich einig, dass sie einen Weg zu einem möglichen Deal sehen könnten", hieß es.

Dem Vernehmen nach hat Johnson einen "substanziellen Vorschlag" in der umstrittenen Irland-Frage gemacht. Details wurden zunächst nicht bekannt. Angeblich soll London zu Änderungen beim Mitspracherecht Nordirlands bereit sein. Das Regionalparlament in Belfast soll künftig mitentscheiden dürfen, inwieweit EU-Binnenmarktregeln für Nordirland weiter gelten. Auch in der Zollfrage soll Johnson Zugeständnisse gemacht haben. In London wurde darüber spekuliert, ob er einen alten Vorschlag seiner Vorgängerin Theresa May präsentiert hat: den sogenannten Chequers-Kompromiss, der diesmal aber nicht für das gesamte Vereinigte Königreich, sondern nur für Nordirland gelten soll. Demnach könnte es eine Zollpartnerschaft zwischen der EU und Nordirland geben.

Varadkar unterrichtete noch am Abend EU-Chefverhandler Michel Barnier, der an diesem Freitag mit dem britischen Brexit-Minister Steve Barclay ausloten soll, ob sich auf dieser Basis weitere Verhandlungen vor dem EU-Gipfel lohnen. Am 17. und 18. Oktober treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel, um über den Brexit zu beraten.

Sollten Johnsons neue Vorschläge aus Brüsseler Sicht keine Grundlage für eine Einigung bilden, wird sich die EU auf eine Verlängerung der Austrittsfrist vorbereiten. Als Voraussetzung für einen weiteren Brexit-Aufschub werden Neuwahlen oder ein zweites Referendum genannt. Doch selbst wenn eine Einigung beim EU-Gipfel gelingen sollte, dürfte zumindest eine "technische Verlängerung" nötig sein, weil noch Gesetzestexte angepasst werden müssen. In der Kürze der Zeit wäre dies bis Ende des Monats wohl nicht zu schaffen.

Inwieweit das Treffen von Johnson und Varadkar eine neue Dynamik entfaltet, wird sich an diesem Freitag zeigen, wenn Barnier den Daumen für weitere Verhandlungen hebt oder senkt. Brüssel und London werden zumindest den Eindruck erwecken wollen, dass man bis zur letzten Minute versucht, doch noch einen Deal zu erreichen. Keiner will am Ende daran schuld sein, wenn die Verhandlungen scheitern.

© SZ vom 11.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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