Großbritannien:Goves Frau: "Sei dein störrischstes Selbst!"

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Ob sie da schon wussten, was sie mit Boris Johnson machen wollen? Michael Gove und Sarah Vine verlassen nach der Stimmabgabe beim EU-Referendum das Wahllokal. (Foto: Getty Images)

Es war das Vorspiel für einen der brutalsten Überraschungsangriffe der britischen Politik: Eine Mail der Frau von Michael Gove ging an die falsche Adresse.

Von Constantin Seibt

Als ihr Mann, Erziehungsminister Michael Gove, 2014 aus dem Kabinett entlassen wurde, twitterte Sarah Vine: "Ein schäbiger Tag, den Cameron ein Leben lang bereuen wird."

Zwei Jahre später schrie Camerons Frau ihre Freundin Sarah, die Patentante ihrer Tochter, auf einer Party an: "Verräterin! Verfluchte Verräterin!"

Damals waren Premierminister David Cameron und Michael Gove offiziell längst wieder beste Freunde. Und Gove wieder im Kabinett. Nur hatte dieser seine Entlassung nicht vergessen: Und sich überraschend als wichtiges Regierungsmitglied auf die Seite des Brexit-Lagers geschlagen.

Eine Entscheidung, die seine Frau liebevoll ihren Lesern schilderte: Unter "Ozeanen von Tee", "Sorge", "Seufzern in seinem Lieblingssessel" habe "sich Michael dafür entschieden, nicht seiner Freundschaft mit dem Premierminister zu folgen, sondern den Prinzipien seines Herzens".

Sarah Vine schreibt eine politische Klatschkolumne in der Daily Mail - und fast immer spielt ihr Mann die Hauptrolle. Gerne als Mann mit absurden Vorlieben: "vergessene US-Präsidenten, Wagner, Hass auf Zimmerpflanzen." Mal sogar als schlechter Liebhaber: "Schlafen ist WEIT besser als Sex." Aber vor allem schildert Vine Gove als besten Politiker, den das Land sich wünschen kann.

Der stockkonservative Gove wurde zum wichtigsten Verbündeten für den Brexit-Frontmann Boris Johnson. Nicht zuletzt galt er als dessen Manager für Johnsons Wahl als Premier.

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"Sei dein störrischstes Selbst!"

Doch dann überraschte der Sieg die EU-Gegner. Chaos folgte. Und plötzlich ging eine falsch adressierte E-Mail an die Presse, die Vine ihrem Gatten geschickt hatte. "Eine einfache Botschaft: Du MUSST von Boris GARANTIEN bekommen, SONST kannst du ihn nicht unterstützen." Damit meinte sie Kabinettsposten sowie die Einwanderungsfrage. Und riet: "Sei dein störrischstes Selbst!" Die Mail - die laut Guardian klang, als sei Gove ein Kind oder ein Idiot - war das Vorspiel für einen der brutalsten Überraschungsangriffe der britischen Politik.

Einen Tag später, als Johnson seine Kandidatur bekannt geben wollte, trat Gove am frühen Morgen vor die Presse und gab "widerstrebend" seine eigene Kandidatur bekannt, "weil Boris charakterlich und organisatorisch nicht in der Lage ist".

Das sagte Gove, nachdem er zuvor neunmal im Fernsehen gesagt hatte, er selbst habe "nicht das Format, Kandidat zu sein".

Johnson verzichtete am Nachmittag, nicht ohne ein Brutus-Zitat von Shakespeare.

Die Gove-Leute sagten, ihr Chef habe selbst kandidieren müssen, weil Johnson am Tag nach dem Brexit Cricket spielte, Partys feierte, Briefe an Verbündete vergaß und seinen Mitstreitern die Rede zur Kandidatur viel zu spät ablieferte. Aus Johnsons Lager kam der Kommentar: "Der H... plante das von Anfang an!"

Sarah Vine (49) wird nun möglicherweise First Lady. Und ganz sicher eine Legende.

Dieser Artikel erschien zuerst im Tages-Anzeiger vom 04.07.2016

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