Großbritannien:Ex-Premier Heath des Kindesmissbrauchs verdächtigt

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Scotland Yard ermittelt gegen den früheren britischen Regierungschef Edward Heath. Er soll in Kindesmissbrauchsfälle verwickelt gewesen sein.

Von Björn Finke, London

Gerüchte über seine sexuellen Vorlieben haben seine ganze politische Karriere begleitet. Allerdings ging es da immer nur um die Frage, ob Edward Heath, britischer Premierminister von 1970 bis 1974, ein verkappter Homosexueller sei. Doch nun, zehn Jahre nach dem Tod des Konservativen, ermittelt die Polizei wegen Kindesmissbrauchs gegen Heath. Ein Team von Scotland Yard prüft in Zusammenarbeit mit der Polizei in der englischen Grafschaft Wiltshire entsprechende Vorwürfe. Auch andere Ermittler-Gruppen gehen dem schlimmen Verdacht nach.

Der Ex-Premier ist bisher der hochrangigste britische Prominente, dem Missbrauchsvorwürfe gemacht werden. Im Jahr 2012 kam heraus, dass sich der ein Jahr zuvor verstorbene BBC-Starmoderator Jimmy Savile über Jahrzehnte hinweg ungehindert an Hunderten Opfern vergangen hatte. Daraufhin begann die Polizei Untersuchungen, ob früher im großen Stil Missbrauch vertuscht worden war. Im Mai berichteten die Beamten, bei diesen Ermittlungen historischer Fälle gebe es 1433 Verdächtige - 261 von ihnen Prominente.

Die Behörden appellieren an mögliche Opfer, sich zu melden

Heath hatte lange in der Stadt Salisbury in Wiltshire gelebt. Die dortige Polizei hatte am Montag mögliche Opfer aufgerufen, sich zu melden. Am Dienstag teilten die Beamten mit, es seien "eine Reihe von Anrufen" eingegangen. Den Appell vom Vortag hatte die Behörde IPCC angestoßen, die sich um Beschwerden gegen Polizisten kümmert.

Ein pensionierter Polizist hatte ausgesagt, in den Neunzigerjahren sei in Wiltshire ein Ermittlungsverfahren gestoppt worden, nachdem eine der Verdächtigen - eine Bordellbesitzerin - gedroht hatte, andernfalls Vorwürfe des Kindesmissbrauchs gegen Heath publik zu machen. Die Frau habe nicht behauptet, selbst Opfer zu sein, soll aber Opfer gekannt haben, heißt es. Die abgeblasene Ermittlung hatte nichts mit Kindesmissbrauch zu tun.

Freunde und frühere Kollegen von Heath sagten britischen Medien, sie hielten die Vorwürfe für absurd. Der unverheiratete Konservative war von 1965 bis 1975 Vorsitzender seiner Partei. Die spätere Premierministerin Margaret Thatcher löste ihn an der Spitze ab, was er ihr nicht verzieh.

Allerdings ermitteln Beamte von Scotland Yard offenbar schon seit Monaten gegen Heath - unabhängig von dem Vorfall in der Grafschaft Wiltshire. Der Fernsehsender BBC berichtet, Heath zähle auch zu den Verdächtigen bei "Operation Midland". Diese Operation gehört zu den Versuchen, möglicherweise vertuschte Missbrauchsfälle der Vergangenheit aufzuklären. Konkret folgt Operation Midland Hinweisen, dass sich in den Siebziger- und Achtzigerjahren in Südengland Männer aus Politik und Sicherheitsbehörden an Jungen vergangen hätten.

Ein Mann behauptet, von Heath vergewaltigt worden zu sein

Das Boulevard-Blatt Daily Mirror zitiert zudem einen ungenannten Mann, der behauptet, von Heath 1961 im Alter von zwölf Jahren vergewaltigt worden zu sein.

Auch auf der Insel Jersey im Ärmelkanal untersucht die Polizei historische Missbrauchsvorwürfe. Die Beamten teilten am Dienstag mit, bei diesen Ermittlungen zähle Heath ebenfalls zu den Verdächtigen. Der Politiker verbrachte dort Segelurlaube. Eine Journalistin des US-Magazins Newsweek recherchierte 2011 zu Gerüchten, Heath und andere Täter hätten sich an Kindern aus einem Heim auf der Insel vergangen. Die Frau sagte nun dem britischen Radiosender LBC, Behörden hätten sie dabei behindert. So sei ihr trotz gültigen Visums die Einreise ins Vereinigte Königreich verweigert worden.

© SZ vom 05.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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