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Brexit-Verhandlungen:EU und London zanken um die Fischerei

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Großbritannien und die EU streiten weiter über künftige Fangquoten in britischen Gewässern. Brüssel macht ein Angebot - doch die Gespräche sind festgefahren.

Von Alexander Mühlauer, London

So viel Einigkeit gab es selten in den Brexit-Verhandlungen. Am Montag erklärte der irische Außenminister Simon Coveney, dass eine Einigung über ein Freihandelsabkommen zwischen Brüssel und London "möglichst noch in dieser Woche" zustande kommen müsse. Sein britischer Kollege Dominic Raab hatte bereits am Sonntag davon gesprochen, dass nun die "letzte wirklich wichtige Woche" beginne.

Wirklich? Aus Verhandlungskreisen hieß es am Montag, dass es noch immer wenig bis keinerlei Bewegung in den Knackpunkten gebe. Vollkommen festgefahren sind offenbar die Gespräche über die künftigen Fangquoten von EU-Fischern in britischen Gewässern. Der Brüsseler Chefunterhändler Michel Barnier hatte am Freitag den Vorschlag wiederholt, dass die EU bereit sei, 15 bis 18 Prozent ihrer bisherigen Fangquoten an Großbritannien zurückzugeben. Doch das lehnte der britische Chefverhandler David Frost als nicht akzeptabel ab; dem Vernehmen beansprucht London 80 Prozent der EU-Quoten für Fischer im Vereinigten Königreich.

Für die austrittswilligen Briten sind die Fischerei-Rechte symbolisch. Es geht um die Wiedererlangung von Souveränität

Aus Sicht des britischen Außenministers Raab geht es dabei um nicht weniger als um die Wiedererlangung von Souveränität. "Als unabhängiger Küstenstaat wollen wir die Kontrolle über unsere eigenen Gewässer haben", sagte er dem Fernsehsender BBC. Er denke nicht, dass dies eine unzumutbare Forderung gegenüber der EU sei. Fischerei trägt zwar lediglich 0,1 Prozent zur britischen Wirtschaftsleistung bei, für die Brexiteers ist es aber ein Thema von gewaltiger Symbolkraft. Der britische Premierminister Boris Johnson hat deshalb wenig Spielraum für Zugeständnisse.

Auch auf EU-Seite ist Fischerei ein hoch emotionales Thema, vor allem in Frankreich. Dort fürchtet Präsident Emmanuel Macron einen Aufstand von Fischern, wenn es ihm nicht gelingen sollte, die Fangquoten in britischen Gewässern einigermaßen stabil zu halten. Offenbar gibt es in Brüssel und Paris Überlegungen, die EU-Quoten in Gewässern des Ärmelkanals unverändert zu lassen; stattdessen könnten etwa jene in der Irischen See reduziert werden. So könnte Macron sicherstellen, dass zumindest die französischen Fischer nicht schlechter gestellt würden. Ob Johnson darauf eingehen würde, ist allerdings fraglich.

Falls es bis Jahresende keinen Handelsvertrag gibt, werden Zölle und Kontrollen eingeführt

Anders als beim Thema Fisch soll es bei einem anderen Schlüsselthema Bewegung geben. Das behauptet zumindest die britische Regierung. Außenminister Raab sprach von einer "Landezone", die beim sogenannten Level Playing Field in Sicht sei, also bei Vorgaben für fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen in Großbritannien und in der EU. Irlands Außenminister Coveney wollte das am Montag nicht bestätigen, er unterstrich aber die Notwendigkeit eines Instruments, mit dem Streitfälle geschlichtet werden könnten.

Die Zeit für eine Einigung wird immer knapper. Zum Jahreswechsel endet die Brexit-Übergangsphase, in der Großbritannien noch Teil des EU-Binnenmarkts und der Zollunion ist. Gelingt es bis 31. Dezember nicht, einen Handelsvertrag zu schließen, werden von Januar an Zölle und Zollkontrollen eingeführt. Beide Seiten wollen ein solches No-Deal-Szenario verhindern, allerdings nicht zu jedem Preis.

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