Großbritannien:Etwas, alles oder nichts

U.K. Opposition Labour Party Annual Conference

John McDonnell.

(Foto: Simon Dawson/Bloomberg)

Nicht nur die Regierung in London, sondern auch die oppositionelle Labour-Partei ringt um ihre Haltung in der Brexit-Frage.

Von Cathrin Kahlweit, London

Die Führung der oppositionellen Labour-Partei in Großbritannien will sich nicht auf ein zweites Brexit-Referendum festlegen. Angesichts des innerparteilichen Streits über dieses Thema legte die Parteispitze in der Nacht zum Montag einen Kompromiss vor, der in erster Linie auf rasche Neuwahlen setzt. Ein Referendum, wie es viele proeuropäische Mitglieder fordern, wird darin nur als eine mehrerer denkbarer Optionen genannt; diese Alternative bleibe aber "auf dem Tisch". Der Parteitag soll an diesem Dienstag über einen entsprechenden Antrag abstimmen.

Labour-Spitzenpolitiker und Schatten-Finanzminister John McDonnell sagte der BBC zudem, ein Verbleib Großbritanniens in der EU solle gar nicht zur Abstimmung gestellt werden, falls es zu einem Referendum komme. Eine Volksabstimmung solle sich nur um die Frage drehen, ob das noch von der Regierung mit der EU auszuhandelnde Abkommen angenommen werde - oder ob es Nachverhandlungen für ein verbessertes Abkommen geben solle. Falls das Parlament das Abkommen zurückweist, sind Neuwahlen erklärtes Ziel der Parteiführung. Sollte es aber keine Wahlen geben, werde Labour alle verbleibenden Optionen unterstützen, eingeschlossen das Werben für ein neues Referendum, so die Labour-Führung.

McDonnell argumentierte, dass Neuwahlen zum Unterhaus ohnehin einem "veritablem Referendum" über die Bedingungen des EU-Austritts gleichkämen. Das Votum der Wähler vom Juni 2016 für einen EU-Austritt müsse grundsätzlich aber "respektiert" werden.

Labour-Chef Jeremy Corbyn lehnte ein Referendum über das Brexit-Abkommen bislang ab. Allerdings gibt es in der Partei eine starke Strömung, die ein solches Referendum anstrebt. Beobachter gingen bisher davon aus, dass es auf dem Parteitag eine Mehrheit dafür geben könnte. Am Sonntag hatten rund 5000 Menschen vor dem Parteitagsgelände für ein Referendum demonstriert. Mit dem Kompromissantrag setzt die Parteiführung nun auf eine Entschärfung des Streits, doch die Empörung an der Basis darüber wächst, dass die Parteiführung die Bewegung für ein "people's vote" so halbherzig unterstützt.

Angesichts der Turbulenzen in der konservativen Regierung von Premierministerin Theresa May erhofft sich Labour einen deutlichen Sieg bei Neuwahlen. Es ist völlig offen, ob May im Parlament eine Mehrheit für ein Austrittsabkommen finden würde. Das Regierungslager hat im Unterhaus nur eine hauchdünne Mehrheit, die von der Unterstützung der Tories durch die nordirische, probritische DUP abhängt. Auch viele konservative Abgeordnete lehnen Mays Plan für den Austritt und die künftigen Beziehungen zur EU vehement ab. May beharrt - nach jetzigem Stand - auf ihrem Vorschlag, dem Chequers-Plan. Allerdings mehren sich Hinweise, dass sie von Kollegen dazu gedrängt wird, sich einem lockeren Freihandelskommen zuzuwenden, wie es etwa mit Kanada existiert.

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