Die Stimmung unter den britischen Brexit-Befürwortern wird beinahe täglich besser. Mit einiger Vorfreude erwarten sie die lange angekündigte Rede von Premierministerin Theresa May, die sich an diesem Dienstag erstmals ausführlich dazu äußern will, was der Brexit im Detail bedeuten könnte. Dass die EU-Gegner sich darüber freuen, liegt daran, dass immer klarer wird, dass es wohl auf einen harten Brexit hinausläuft, sprich: Vieles deutet darauf hin, dass Großbritannien nicht länger Teil des europäischen Binnenmarktes bleiben wird.
May wird gegen Mittag im Lancaster House vor Diplomaten, Beamten und Journalisten sprechen. Lancaster House ist ein Herrenhaus, das mitten in London am Green Park liegt, in unmittelbarer Nähe zur Stadtresidenz von Thronfolger Prinz Charles. Eine Zeitlang hatte das Team der Netflix-Serie "The Crown" den Bau in Beschlag genommen - in der Serie geht es um das Leben von Königin Elizabeth II., und da es für den Buckingham Palace selbstverständlich keine Drehgenehmigung gibt, musste das ehrwürdige Lancaster House mit seinen hohen Decken, geschwungenen Treppen und ballsaalgroßen Räumen als Kulisse herhalten. Es ist also ein würdiger Rahmen für Mays bisher wichtigste Rede als Premierministerin.
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Viele EU-Gegner wollen so wenig Verbindungen mit Brüssel wie möglich
In den Wochen nach dem Referendum, in dem sich eine Mehrheit der Briten für den Austritt aus der EU entschieden hatte, weigerte sich May, Details bezüglich des Brexit preiszugeben. Sie werde keinen laufenden Kommentar abgeben, wiederholte sie unermüdlich und zog sich auf ihr Mantra zurück: "Brexit heißt Brexit", sagte sie so oft, dass es eine fast absurde Note bekam. Mittlerweile wird aber tatsächlich deutlicher, was Brexit heißen könnte.
May hat gesagt, dass es für sie zwei Prioritäten gebe. Zum einen will sie die Einwanderung aus der EU kontrollieren und zum anderen sicherstellen, dass der Europäische Gerichtshof keinen Einfluss mehr auf britisches Recht hat. Ohne Anerkennung der Freizügigkeit und der Rechtsprechung aus Luxemburg ist es jedoch nach EU-Regeln nicht möglich, Teil des Binnenmarktes zu sein. Die meisten EU-Gegner im Vereinigten Königreich wollen ohnehin so wenig Verbindungen mit Brüssel wie möglich. Sie gehen davon aus, dass ein von EU-Regularien befreites Großbritannien aktiver mit dem Rest der Welt Handel treiben könne.
Trump stellt ein schnelles bilaterales Freihandelsabkommen in Aussicht
In diesem Glauben wurden sie durch das Interview bestärkt, das der designierte amerikanische Präsident Donald Trump der Bild-Zeitung und der Londoner Times gegeben hat. Während die Bild den ehemaligen Chefredakteur schickte, entsandte die Times den ehemaligen Justizminister Michael Gove, einen der führenden Befürworter des EU-Austritts. Gove wurde von Theresa May nach dem Referendum und seinem gescheiterten Versuch, die Parteiführung zu übernehmen, zum Hinterbänkler degradiert. Die neugewonnene freie Zeit nutzt Gove, um hin und wieder eine Kolumne in der Times zu schreiben, was er sich mit 150 000 Pfund im Jahr vergüten lässt. Nun hatte die Zeitung ihn zum Interview nach New York geschickt, was bedeutet, dass Premierministerin May erst die dritte britische Politikerin sein wird, die persönlich mit Trump nach dessen Wahlsieg spricht. Als ersten Politiker von der Insel hatte Trump Nigel Farage getroffen, den vormaligen Chef der EU-feindlichen UK Independence Party.
In dem Interview sagte Trump, dass er den Brexit für großartig halte. Er sagte: "Trump hat gesagt, dass es zum Brexit kommen wird, und es ist so gekommen. Alle dachten, ich sei verrückt." Er stellte ein schnelles bilaterales Freihandelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien in Aussicht. "Wir werden hart arbeiten, um das schnell hinzukriegen. Gut für beide Seiten." Gove ließ sich dann noch mit Trump fotografieren, beide hoben den Daumen. Tim Farron, Chef der britischen Liberaldemokraten, merkte zu dem Interview an: "Das war eine Lobeshymne von einem bewundernden Fan." Die Brexit-Befürworter nahmen Trumps Worte hingegen mit Freude auf. Außenminister Boris Johnson sprach von "einer guten Nachricht".
Zwei Hürden gibt es derzeit auf dem Weg zum Brexit. In diesem Monat wird das Urteil des Supreme Court erwartet, der darüber befindet, ob May das Parlament befragen muss, bevor sie Brüssel auch offiziell gemäß Artikel 50 der EU-Verträge vom Austrittswunsch unterrichtet. Das ist für Ende März geplant. Zudem werden in Nordirland Neuwahlen fällig, da die Regionalregierung sich nicht auf eine Fortführung der Arbeit verständigen konnte. Mays Büro in der Downing Street beharrte am Montag darauf, dass beide Vorgänge den Zeitplan nicht beeinflussen würden.