Großbritannien:Ehre und Ärger

Die Queen zeichnet verdiente Bürger aus - das freut nicht alle.

Von Cathrin Kahlweit

Wollte man die Reaktionen auf die Honours List (Ehrenliste) der Queen zu Neujahr beschreiben, müsste man nur das Sprichwort "Viel Feind, viel Ehr" umdrehen und daraus "Viel Ehr, viel Feind" machen. Zweimal jährlich, anlässlich ihres Geburtstags und zum Jahreswechsel, vergibt die Königin auf Vorschlag der Regierung hohe Orden an Menschen, die sich durch gesellschaftliches Engagement oder besondere Leistungen ausgezeichnet haben. Höchst populär in einem Land, in dem die Monarchie immer noch eine große Rolle spielt, ist die Erhebung in den Ritterstand (Knight oder Dame). Aber auch andere Orden des British Empire werden gern genommen.

Kurz vor dem Jahreswechsel wurde nun mehr als tausend Briten, aber auch Ausländern die Ehre zuteil, ihren Namen im royalen Anzeiger, der Gazette, wiederzufinden. Nicht alle Namen stoßen im Land auf einhellige Begeisterung, weil sich unter Hunderten Ehrungen naturgemäß Nominierungen finden, die Kritiker unverständlich, wenn nicht gar völlig unverdient finden. So freute sich der ehemalige Chef der Tory-Partei, Iain Duncan Smith, dass er in den Adelsstand erhoben wurde (er ist jetzt Ritter und darf sich Sir nennen). Aber innerhalb weniger Stunden unterzeichneten mehr als 100 000 Menschen eine Petition gegen diese Auszeichnung. Ihre Begründung: Duncan Smith sei verantwortlich für die "grausamste und extremste Reform der Sozialhilfe, die dieses Land je gesehen" habe.

Mindestens ebenso viel Ärger heimste sich eine ehemalige Oberstaatsanwältin ein, die zur Dame ernannt wurde, aber für fatale Ermittlungsfehler der Polizei in einer Reihe von Vergewaltigungsprozessen mitverantwortlich gemacht wird.

Diesmal aber gab es doppelten Ärger. Denn die Liste wurde versehentlich mit den kompletten Adressen der Geehrten veröffentlicht. Prominente wie Sir Elton John, der schon 1998 zum Knight gemacht, aber nun obendrein zum Companion of Honour aufgewertet wurde, dürften das vor allem ärgerlich finden. Geheimdienstler, Antiterror-Experten, Offiziere und Politiker unter den Geehrten zeigten sich hingegen entsetzt. Die Times schrieb von einem "Sicherheitsfiasko", das "Menschenleben in Gefahr" bringe. Rufe nach dem Rücktritt des obersten britischen Beamten, der Boris Johnson zugleich als Sicherheitsberater dient, wurden laut.

Die jüngste Honours List war schon vor Monaten und damit noch unter der damaligen Premierministerin Theresa May zusammengestellt worden. Mit Spannung erwartet wird nun aber eine weitere Ehrenliste: die der politischen Beförderungen. Ein Premier hat das Recht, zum Ende einer Legislaturperiode Weggefährten mit einer Peerage, einem Sitz im House of Lords, auszuzeichnen. Nach den vorgezogenen Neuwahlen und seinem Wahlsieg dürfte Johnson bald mit einer solchen Liste aufwarten. Heiß diskutiert wird schon jetzt, wer, allen Traditionen zum Trotz, wohl nicht draufstehen wird: der in den Augen der Tories unbotmäßige Ex-Parlamentssprecher John Bercow. Zwei Sitze im Oberhaus hat Johnson schon vorab vergeben: an Parteifreunde, die keine Mandate haben, die er aber auf diesem Weg in der Regierung halten will. In Westminster laufen sie unter dem Kürzel: FoBs (Friends of Boris).

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