Großbritannien:Britische Ministerin muss wegen Geheimtreffen in Israel zurücktreten

Großbritannien: Priti Patel vor der Downing Street Nummer 10.

Priti Patel vor der Downing Street Nummer 10.

(Foto: AFP)
  • Die britische Ministerin für Internationale Entwicklung Priti Patel muss zurücktreten.
  • Sie hat sich während eines privaten Urlaubs heimlich mit israelischen Politikern und Lobbyisten getroffen, ohne die Regierung zu informieren.
  • Die Konservative Patel ist die zweite Ministerin innerhalb einer Woche, die Theresa Mays Kabinett verlassen muss.

Von Jana Anzlinger

Es gibt Fotos, die man gern aus dem Internet zurückholen würde. Man fühlt sich unvorteilhaft abgebildet oder in einer peinlichen Situation ertappt. In diese Kategorie gehört wohl das Bild von Priti Patel und Yair Lapid. Dabei zeigt es bloß, wie zwei Politiker ähnlicher Couleur aus befreundeten Ländern zusammensitzen.

Lapid, Chef der israelischen Yesh-Atid-Partei, twitterte das Bild im August mit dem Kommentar: "Es war toll, die britische Ministerin für Internationale Entwicklung Priti Patel heute zu treffen. Sie ist eine wahre Freundin Israels."

Die Freundin Israels dürfte sich über diesen Tweet nicht sonderlich gefreut haben. Denn die Ministerin hat ihrer eigenen Regierung verheimlicht, dass sie während ihres privaten Israel-Urlaubs Politiker, NGOs und Lobbyisten traf. Das hat sie nun ihr Amt gekostet.

Sie soll Israels Militär Geld versprochen und Netanjahu getroffen haben

Von den Treffen sollen weder Premierministerin Theresa May noch Außenminister Boris Johnson noch die britischen Diplomaten in Israel gewusst haben. Patel hat inzwischen eine Liste der insgesamt zwölf Geheimtreffen während des knapp vierzehntägigen Urlaubs veröffentlicht. Die meisten Gesprächspartner auf der Liste sind Hilforganisationen mit Fokus auf Entwicklungsarbeit in Afrika.

Außerdem hat Patel in Tel Aviv mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu gesprochen. Sie habe mit ihm vor allem über ihre familiäre Herkunft geplaudert, erklärt sie jetzt vage, zudem sei es um Netanjahus bevorstehenden Besuch in Großbritannien gegangen - und um "Aussichten für eine engere Zusammenarbeit" im Entwicklungsbereich.

Israels Militär soll sie Geld zum Einsatz in den Golanhöhen versprochen haben. Die israelische Zeitung Haaretz berichtet, Patel habe sogar die Golanhöhen besucht. Israel annektierte Teile der Golanhöhen in den 80ern, was Großbritannien so wie die meisten Staaten eigentlich nicht anerkennt. Einem Sprecher des Entwicklungsministeriums zufolge wollte Patel nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub wissen, ob sie Israels Armee bei humanitärer Arbeit in den Golanhöhen unterstützen könne. Die Idee sei schnell wieder verworfen worden.

Mit zwei Politikern aus Netanjahus Umfeld kam sie gleich mehrfach zusammen: Der Diplomat Yuval Rotem sowie Gilad Erdan, der Minister für Öffentliche Sicherheit. Mit beiden Ministern soll sie sich erst in Tel Aviv getroffen haben und im September in New York und London. Als Beweis dafür gilt wieder ein getwittertes Foto. Es zeigt Erdan und Patel - und im Hintergrund: die Westminster Bridge und das Riesenrad London Eye.

Kritisiert wird Patel nicht nur für unachtsames Verhalten und das Wildern in Boris Johnsons Ressort. Ihr wird auch vorgeworfen, mit den Geheimtreffen eine persönliche Strategie zu verfolgen. Die einen befürchten, dass die Konservative ihre Anti-Palästina-Haltung umsetzen möchte, indem sie Hilfszahlungen an Palästinenser kürzt. Die anderen verdächtigen die 45-Jährige, sich bei reichen konservativen Zionisten einzuschmeicheln, weil sie Premierministerin werden wolle und Wahlkampfspender suche. Als Indiz für diese Theorie werten sie, dass Patel zwar von keinem ihrer Mitarbeiter begleitet wurde, aber dafür von Stuart Polak, der im Vorstand der britischen Parlamentariergruppe "Conservative Friends of Israel" sitzt. Polak bezeichnet die sommerliche Begegnung als "sehr unschuldig".

Am Montag nahm Patel Stellung, am Dienstag gab es neue Vorwürfe

Die Vorwürfe gegen Patel kamen erst nach und nach ans Licht. Ihr ungewöhnliches Urlaubsprogramm deckte zunächst die BBC auf. Patel wehrte die Vorwürfe am Freitag zunächst gegenüber dem Guardian als Kampagne der Labour-Partei gegen sie ab. Außenminister Johnson wischte den Verdacht in einem Tweet über seine "gute Freundin" beiseite.

Am Montag aber entschuldigte sich Patel in einem von der Regierung abgesegneten Statement. Darin werden Aussagen, die Patel dem Guardian gegenüber machte, neu ausgelegt: "Boris wusste von dem Besuch" zum Beispiel. Dazu heißt es: "Dieses Zitat könnte den Eindruck erweckt haben, dass die Ministerin den Außenminister im Voraus über den Besuch unterrichtet hätte. Die Ministerin möchte diese Gelegenheit ergreifen, um klarzustellen, dass das nicht der Fall war."

Die Premierministerin versuchte vergeblich, die Wogen zu glätten. Da Patel beteuert, die Reise selbst bezahlt zu haben, hat sie mit ihrer Geheimniskrämerei wohl nicht gegen den Code of Conduct des Parlaments verstoßen. May verwarnte sie am Montag nur.

Patel musste ihre Afrikareise abbrechen

Doch anschließend stellte sich nach und heraus, dass Patel wohl doch nicht alles erzählt hatte. Wieder waren es Medienberichte, die am Dienstag und am Mittwoch die wiederholten Treffen mit israelischen Ministern und Patels Golanhöhen-Ideen ans Licht brachten. Seit wann May davon weiß, ist unklar. Vor allem der öffentliche Druck dürfte die Regierung zur Entscheidung gegen Patel veranlasst haben.

Patel selbst hat in dem Versuch, dem Skandal zu entkommen, von den vergangenen 48 Stunden etwa 18 im Flugzeug verbracht. Sie ist am Dienstag verfrüht zu einer Reise nach Uganda aufgebrochen. Doch am Mittwoch zitierte May die Ministerin zurück nach London, um sie in einem persönlichen Gespräch zum Rücktritt aufzufordern.

Wenngleich sie in bester Absicht gehandelt habe, "fielen meine Handlungen hinter den Standards für Transparenz und Offenheit zurück, für die ich mich eingesetzt habe und einstehe", zitierte ein BBC-Journalist aus Patels Rücktrittsschreiben.

Patel ist die zweite Ministerin innerhalb einer Woche, die Mays Kabinett verlassen muss. Verteidigungsminister Michael Fallon ist am vergangenen Mittwochabend zurückgetreten, weil er Frauen belästigt haben soll.

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