Sajid Javid:Unverzichtbar für Johnson

Brexit

Großbritanniens Finanzminister Sajid Javid

(Foto: dpa)

Der britische Finanzminister lässt keinen Zweifel daran, dass die Regierung sich nichts von Brüssel vorschreiben lassen werde. In der Konsequenz heißt das: Der Brexit wird wohl ziemlich hart.

Von Alexander Mühlauer, London

Glaubt man Boris Johnson, amtiert in London nun eine "Regierung des Volkes". Seit seinem Wahlsieg im Dezember achtet der Premierminister jedenfalls genau darauf, ja nicht den Anschein zu erwecken, dass an seinem Kabinettstisch vielleicht doch nicht ganz so volksnahe Charaktere sitzen. Und so ordnete Johnson kurz vor Weihnachten an, dass keiner seiner Minister zum Weltwirtschaftsforum nach Davos reisen dürfe. Die Botschaft, die Johnson aus Downing Street verbreiten ließ, war ziemlich klar: Die Regierung kümmere sich um die Anliegen der Bürger in Großbritannien und habe es nicht nötig, mit der in den Schweizer Bergen versammelten Elite Champagner zu trinken.

Doch wie es aussieht, hat Johnson seinen Davos-Bann nicht verteidigen können. Wenn es bei den Reiseplänen bleibt, wird der britische Finanzminister Sajid Javid diese Woche zum Weltwirtschaftsforum reisen. Der Schatzkanzler hat eine besondere Stellung in Johnsons Ministerriege. Er ist der einzige, dem der Premier bislang öffentlich zugesichert hat, dass er seinen Job nach einer für Februar geplanten Kabinettsumbildung behalten wird. Javid ist einer, auf den Johnson hört. Jedenfalls ließ er sich von ihm überzeugen, dass es doch gut wäre, wenn die britische Regierung in Davos vertreten ist. Man kann schließlich davon ausgehen, dass es dort nicht nur ein paar Fragen zum Brexit geben dürfte.

Wer wissen will, was Johnsons Regierung nach dem EU-Austritt am 31. Januar in etwa vorschwebt, konnte dies bereits am Wochenende in der britischen Presse lesen. Im Gespräch mit der Financial Times warnte Finanzminister Javid die Wirtschaft davor, weiter auf einen möglichst enges Verhältnis mit der EU zu hoffen. "Es wird keine Angleichung geben, wir werden keine Empfänger von Regeln sein, wir werden nicht im Binnenmarkt sein, und wir werden nicht in der Zollunion sein", sagte der Schatzkanzler. Und fügte trocken hinzu: Die Unternehmen müssten sich dieser neuen Realität eben anpassen; immerhin hätten sie nun drei Jahre Zeit gehabt, um sich auf eine Veränderung der Handelsbeziehungen mit dem Kontinent einzustellen. Worauf sie sich genau einzustellen haben, konnte Javid allerdings auch mehr als drei Jahre nach dem Brexit-Referendum nicht sagen.

Javid wuchs als einer von fünf Söhnen einer pakistanischer Einwandererfamilie auf

Javid gab ein in der Wortwahl hartes, aber im Kern doch vages Interview, das wohl ganz im Sinne Johnsons war. Viele Unternehmer reagierten wie erwartet aufgeschreckt. Manche sahen in Javids Ankündigung "das Totengeläut für den reibungslosen Handel", andere warnten vor Milliardenkosten. Der Minister dürfte sich davon nicht beeindrucken lassen. Er lässt schon länger keinen Zweifel daran, dass die Regierung sich nichts von Brüssel vorschreiben lassen werde. In der Konsequenz heißt das: Der Brexit wird wohl ziemlich hart.

In Johnsons Kabinett gilt der Schatzkanzler als einer, der diesen Kurs verkörpert. Und er steht auch für das, was diese Regierung gesellschaftspolitisch verspricht: Wer hart arbeitet, kann es nach ganz oben schaffen. Sajid Javid wuchs als einer von fünf Söhnen einer pakistanischer Einwandererfamilie in einem Arbeiterviertel von Bristol auf. Sein Vater war Busfahrer, seine Mutter sprach kein Englisch, als sie nach Großbritannien kam. Javid studierte an der Uni Exeter und fing danach an, im Bankgeschäft Geld zu verdienen. Als Investmentbanker bei der Deutschen Bank in London kassierte er drei Millionen Pfund im Jahr.

Der 50-Jährige kennt die internationale Finanzelite ebenso wie das britische Arbeitermilieu. Seit 2010 vertritt er als Unterhaus-Abgeordneter den Wahlkreis Bromsgrove im Süden Birminghams. Er war als Minister schon für Kultur, Wohnungsbau und Inneres zuständig. Seit Juli 2019 ist Sajid Javid Schatzkanzler. Für Premierminister Johnson scheint er derzeit unverzichtbar zu sein. Egal ob in den englischen Midlands oder in den Schweizer Bergen.

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