Großbritannien, auswärts:Undiplomatische Depeschen

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Das entspricht so gar nicht der feinen englischen Art, was da von britischen Diplomaten an die Öffentlichkeit schwappt: Thais haben keine Kultur und die Nicaraguaner sind trunksüchtig.

Es klingt nicht gerade diplomatisch, was britische Botschafter jahrzehntelang so über ihre Gastgeber zu sagen hatten. Zum Abschied in den Ruhestand oder auf einen anderen Posten nahmen sie in Schreiben an London kein Blatt vor den Mund: Nigerianer könnten einen zum Wahnsinn treiben, Nicaraguaner seien unehrlich und Kanadier höchst durchschnittlich. Aber auch die britische Bürokratie und der diplomatische Dienst als solcher bekamen ihr Fett weg in den undiplomatischen Depeschen, die jetzt bekannt wurden.

Mit beißender Kritik nahm 1967 der Botschafter in Nicaragua, Roger Pinsent, seinen Hut: "Ich fürchte, es besteht kein Zweifel, dass der durchschnittliche Nicaraguaner einer der unehrlichsten, unzuverlässigsten, gewalttätigsten und trunksüchtigsten Lateinamerikaner ist", schrieb er in einem Memorandum, das wie die anderen Papiere nun auf Antrag der BBC veröffentlicht worden ist.

"Eine sehr merkwürdige Art von Musik"

Zwei Jahre später urteilte der damalige Hochkommissar in Nigeria, David Hunt, die dortigen Führungspersönlichkeiten hätten "die verrückt machende Angewohnheit, sich immer zu genau dem Vorgehen zu entschließen, das ihren eigenen Interessen am meisten schadet". Und weiter: "Die Afrikaner im allgemeinen scheuen nicht nur nicht davor zurück, sich ins eigene Fleisch zu schneiden - sie betrachten eine solche Operation auch noch als Triumph der Chirurgie."

Über die Kanadier lästerte Lord Moran, Hochkommissar in Ottawa von 1981 bis 1984: "Jeder, der nur halbwegs gut auf irgendeinem Gebiet ist - sei es Literatur, Theater oder Skifahren - wird gleich zur Berühmtheit. Und jeder, der überhaupt aus der Masse hervorsticht, wird in den Himmel gelobt und bekommt sofort einen Orden."

Anthony Rumbold, Botschafter in Thailand 1965 bis 1967, hielt seine Gastgeber nicht für ein Kulturvolk: "Sie haben keine Literatur, keine Malerei und nur eine sehr merkwürdige Art von Musik; ihre Skulpturen, Keramiken und Tänze sind von anderen abgekupfert; ihre Architektur ist eintönig und ihre Inneneinrichtung scheußlich."

"Cocktailparties sind tödlich"

Andere machten ihrem Ärger über den Amtsschimmel und den angestaubten Ruf des eigenen Landes ebenso wie über die langweiligen Aspekte des Diplomatendaseins Luft. "Einer der großen Fehlschläge des diplomatischen Dienstes ist die Unfähigkeit, sein Image von Melone, Nadelstreifen und leichter Trotteligkeit mit einer Vorliebe für Champagner abzustreifen", monierte David Gore-Booth 1999 zum Abschied aus Neu-Delhi.

"Die Cocktailparties sind in der Tat tödlich", klagte er über die schier endlosen Empfänge. "Ich bin sicher, dass 99 Prozent der Kollegen im diplomatischen Dienst dem zustimmen." Das britische Außenministerium stellte die Abschiedsschreiben vor drei Jahren ab, nachdem der Bericht des scheidenden Botschafters in Italien, Ivor Roberts, an die Medien durchgesickert war.

Roberts nahm darin die Führungskultur und die Vorliebe des Ministeriums für Modewörter aufs Korn: "Kann es sein, dass wir durch einen Wust von Wirtschaftsplänen, Leistungsbeurteilungen... und anderen Auswüchsen des Management-Zeitalters waten und darüber vergessen haben, was Diplomatie eigentlich bedeutet?"

© AP/David Stringer - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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