Großbritannien:Auf zum letzten Hurra

Ein Abschied, an Dramatik kaum zu übertreffen: Premier Brown gibt auf und nährt so Hoffnungen auf einen Pakt zwischen Labour und den Liberalen.

W. Koydl

Margaret Thatcher hatte Tränen in den Augen, John Major fuhr zu einem Cricket-Match, und Tony Blair ließ Ehefrau Cherie ihren Unmut drastisch äußern. Es gibt verschiedene Arten für britische Premierminister, Downing Street zu verlassen. Wie sie es tun, sagt nicht nur viel über ihren Charakter aus, sondern prägt auch ihr Bild für die Nachwelt.

Gordon Brown, Labour, Großbritannien, dpa

Gordon Brown will sich bis September vom Amt des Labour-Parteichefs verabschiedet haben.

(Foto: Foto: dpa)

"Wenn der Vorhang fällt, soll man die Bühne verlassen", hatte der letzte konservative Regierungschef Major Nachfolgern geraten. Ihm wird generell zugutegehalten, dass er sich nicht nur mit dem meisten Anstand, sondern geradezu mit Anmut von seinem Amt verabschiedete, als er direkt von Number Ten hinüber fuhr zum Lords Cricket Ground.

Bisher schien dieser gute Rat beim gegenwärtigen Amtsinhaber nicht angekommen zu sein. Gordon Brown klammerte sich auf eine Art und Weise an seinem Schreibtisch fest, die an den schlechten Verlierer Gerhard Schröder erinnerte, der sich auch nicht von Amt und Würden trennen wollte. Nun aber hat Brown einen Abschied inszeniert, der an Dramatik kaum zu übertreffen ist: Der mürrische Schotte hat gleichsam vor der Haustür von Nummer Zehn politisch Harakiri begangen.

Denn was er mit seiner Ankündigung, vom Amt des Labour-Führers, und damit auch des Regierungschefs, zurückzutreten, in Wirklichkeit sagte, war dies: Wenn ich es bin, der einer Übereinkunft mit den Liberaldemokraten im Wege steht, dann räume ich die Stellung. Die Liberalen hatten stets darauf bestanden, dass sie unter keinen Umständen bereit sein würden, den unbeliebten Premier in irgendeiner Form zu unterstützen.

Damit hat Labour die Initiative wieder an sich gerissen, die in den letzten Tagen vollständig auf die Verhandlungsdelegationen von Konservativen und Libdems übergegangen war. Sie hatten praktisch ohne Pause verhandelt und waren sich, so die übereinstimmend positiven Aussagen ihrer Delegationen, überraschend schnell und weit entgegengekommen. In einer Sitzung der liberaldemokratischen Unterhausfraktion mit ihrem Chef Nick Clegg waren freilich Widerstände gegen einen Deal laut geworden.

Der Abschied Browns dürfte auch in seiner eigenen Partei mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung aufgenommen werden. Denn immer öfter hatten zunächst Hinterbänkler aus der Labour-Fraktion laut darüber nachgedacht, warum ein Verlierer weiterhin Partei und Land führen solle. Schließlich hatte die Partei unter seiner Führung annähernd hundert Sitze verloren und war unter 30 Prozent abgestürzt.

Nun, da der Weg frei ist, haben die Liberaldemokraten offiziell Gespräche auch mit Labour aufnehmen können. Von ihnen erhoffen sie sich vor allem Zugeständnisse bei einer Reform des Wahlrechts - eine zentrale Forderung, gegen die sich die Tories hartnäckig wehren. Außerdem reden die linken Flügel von Labour und den Liberalen seit langem lebhaft über eine progressive Regenbogenkoalition mit allen Splitterparteien, welche den Konservativen den Griff zur Macht verwehren könnte.

Ein solcher Pakt wäre wackelig - die Mehrheit im Unterhaus trägt nicht wirklich. Einer Koalition aus Liberalen und Labour (Lib-Lab) würden elf Sitze zur absoluten Mehrheit fehlen; sie wäre auf die Unterstützung nicht nur der schottischen und walisischen Nationalisten, sondern auch der protestantischen und katholischen Nordiren sowie der ersten grünen Abgeordneten angewiesen.

Dieser Regenbogen aber wäre nicht nur bunt, sondern auch flüchtig. Vermutlich würde auch ein in jahrelangen Koalitionspokern gestählter belgischer oder italienischer Politiker die Finger davon lassen. Und britische Politiker beginnen gerade erst, die hohe Kunst von Kompromiss und Koalition zu erlernen. Eine stabile Regierung im nationalen Interesse - von allen Parteien wortreich beschworen - wäre das nicht.

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