Kritik an Dominic Cummings:Johnson hält an wichtigstem Berater fest

Kritik an Dominic Cummings: Rückendeckung vom Chef: Dominic Cummings am Sonntagabend in der Downing Street.

Rückendeckung vom Chef: Dominic Cummings am Sonntagabend in der Downing Street.

(Foto: AFP)

Während seiner Corona-Selbstisolation wurde Dominic Cummings gleich an diversen Orten gesichtet - und kritisiert. Der britische Premier sieht das anders.

Von Alexander Mühlauer, London

Am Sonntagnachmittag war Dominic Cummings bei Boris Johnson in der Downing Street. Der wichtigste Berater des Premierministers hatte einiges zu erklären. Ende März war er mit seiner am Coronavirus erkrankten Frau und seinem vierjährigen Sohn gut 420 Kilometer im Auto von London nach Nordengland gefahren. Dort leben seine Eltern und seine Schwester, die zugesagt haben soll, sich um Cummings' Kind zu kümmern, sollte er sich selbst mit dem Virus angesteckt haben. Doch gemäß den Richtlinien der Regierung zum Coronavirus wäre diese Reise nur aus unausweichlichen Gründen erlaubt gewesen; Cummings' Frau hätte das Haus in London mit ihrer Infektion gar nicht verlassen dürfen. Nachdem der Guardian und der Daily Mirror am Freitagabend über Cummings' Fahrt nach Durham berichtet hatten, war die Aufregung groß. In Westminster gab es am Wochenende nur ein Thema. Johnson schickte am Samstag erst Regierungssprecher vor, um seinen Berater zu verteidigen, dann sein Kabinett.

Am Sonntagabend versuchte der Premier schließlich selbst bei einer Pressekonferenz zu erklären, warum sein Vertrauter rechtskonform gehandelt habe. Nach einem ausführlichen Gespräch mit Cummings sei er zu dem Schluss gekommen, dass dieser "den Instinkten eines jeden Vaters gefolgt" sei, sagte Johnson. Cummings habe "in jeder Hinsicht verantwortlich, legal und mit Integrität" gehandelt, so der Regierungschef. Zuvor waren Rücktrittsforderungen laut geworden - nicht nur aus der Opposition, sondern auch von Abgeordneten aus Johnsons Konservativer Partei.

Der Furor war groß. "Dominic Cummings muss gehen, bevor er Großbritannien, der Regierung, dem Premierminister, unseren Institutionen oder der Konservativen Partei noch mehr Schaden zufügt", teilte der Tory-Abgeordnete und Brexiteer Steve Baker mit. Sein Parteikollege Damian Collins erklärte, dass Cummings in der Vergangenheit immer wieder gezeigt habe, dass er glaube, Regeln würden für ihn nicht gelten - deshalb wäre die Regierung "ohne ihn besser dran". Auch Vertreter der Polizei und der Gesundheitsbehörden kritisierten das Verhalten von Johnsons Helfer.

In Downing Street sah man das ganz anders. Cummings' Verhalten sei rechtskonform und verantwortlich gewesen, hieß es am Samstag. Es sei schließlich um das Wohl des Kindes gegangen. In einer konzertierten Aktion sprangen fast alle Regierungsmitglieder Cummings via Twitter zur Seite. "Sich um sein Kind und seine Frau zu kümmern, ist kein Verbrechen", schrieb Kabinettsminister Michael Gove. Ähnlich äußerte sich Außenminister Dominic Raab und Schatzkanzler Rishi Sunak. Sie alle orientierten sich an den Vorgaben aus der Downing Street. Am Samstagabend folgten dann weitere Vorwürfe. Nach Berichten des Sunday Mirror und des Observer soll Cummings nach seiner Ankunft in Durham erkrankt sein - doch während seiner Selbstisolation soll er von Zeugen in der Nähe von Barnard Castle gesehen worden sein, wo sich sonst gerne Touristen tummeln. Eine Woche darauf sei er erneut in Durham aufgetaucht - nachdem er wenige Tage zuvor in London gewesen war. Cummings selbst bestätigte nur die erste Reise mit Frau und Kind. Was die weiterern Vorwürfe betrifft, fiel die Antwort aus Downing Street kurz und knapp aus: Man werde die Zeit nicht dafür verschwenden, sich dazu zu äußern. Auch Johnson hatte bei seinem Auftritt am Sonntag keine weiteren Erklärungen in der Sache parat. Er machte aber klar, dass er an seinem Berater festhalten will. Der Premier verdankt Cummings viel. Der 48-Jährige gilt als Erfinder von Johnsons Wahlkampf-Slogan "Get Brexit Done" und war einer der Vordenker der Vote-Leave-Kampagne beim Brexit-Referendum. Als Berater des Premierministers beschnitt er die Macht von Ministerien. In Westminster begegneten ihm viele mit einer Mischung aus Angst und Respekt. Jedenfalls bislang.

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