Führende Unionspolitiker fordern, die Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD solle ihren Anfang 2018 ausgehandelten Koalitionsvertrag erneuern. Carsten Linnemann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union, sagte in einem Interview mit der FAZ, es sei "Quatsch, in diesen schnelllebigen Zeiten einen Koalitionsvertrag für vier Jahre auszuhandeln". Demnach sollten die beteiligten Parteien den Vertrag noch im Dezember nach ihren Parteitagen überarbeiten. "Diese Koalition kann nicht weitere zwei Jahre rumwurschteln", sagte Linnemann, der auch die Mittelstandsvereinigung der Union anführt.
Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, zur Mitte der Legislaturperiode zu prüfen, inwieweit die Bestimmungen des Vertrags "umgesetzt wurden oder aufgrund aktueller Entwicklungen neue Vorhaben vereinbart werden müssen". Diese Halbzeitbilanz hat die Bundesregierung Anfang November vorgelegt und dabei eine positive Zwischenbilanz gezogen. Die politische Bewertung sollte den jeweiligen Parteien überlassen werden.
SZ-Koalitionstracker:Welche Vorhaben die Regierung bisher umgesetzt hat - und welche nicht
18 Politikfelder, 142 Aufgaben: Seit zwei Jahren regiert die große Koalition in der aktuellen Legislaturperiode. Die SZ verfolgt, wie es mit der Umsetzung des Koalitionsvertrags vorangeht - und erstellt eine eigene Halbzeitbilanz.
Linnemann forderte im Gespräch mit der FAZ einen "Aufbruch". Dabei sollen unter anderem der CDU-Vorschlag für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr vorangetrieben und der Handel mit CO₂-Zertifikaten "europäisiert" werden.
Auch CSU-Generalsekretär Markus Blume setzt sich nach FAZ-Angaben für Neuverhandlungen ein: "Für die zweite Halbzeit der großen Koalition müssen wir uns den Koalitionsvertrag nochmals anschauen." In einem aus seiner Sicht fundamental veränderten wirtschaftlichen und weltpolitischen Umfeld "brauchen wir ein Update für die Groko - mit neuen Ideen, neuen Verabredungen und mit einem neuen Geist".
Nach Informationen der Zeitung werden auch in der SPD-Fraktion Vorbereitungen getroffen, um die künftige Zusammenarbeit mit der Union auszuhandeln. Die Partei sucht momentan nach einer neuen Führung. Saskia Esken, die sich zusammen mit Norbert Walter-Borjans um den SPD-Vorsitz bewirbt, hält eine Neuverhandlung des Koalitionsvertrags für nötig, um das Bündnis mit der Union fortzusetzen.