Einen freundlichen Mann hatte Donald Trump da im Oval Office zu Gast, das gefiel ihm ausgezeichnet. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte ihm kürzlich auch mal widersprochen, charmant, aber doch direkt. Den ukrainischen Kollegen Wolodimir Selenskij warf der US-Präsident aus seinem Büro, weil er es gewagt hatte, an Garantien für die Ukraine im Falle eines Abkommens mit Russland zu erinnern. Nun kam an diesem Donnerstag also Mark Rutte, der neue Nato-Generalsekretär.
Nach Trumps Wahlsieg war der Niederländer im November bereits in Mar-a-Lago in Florida gewesen, in dessen anderem Hauptquartier. Diesmal kam er ins Weiße Haus und lobte den Gastgeber sehr. Trump habe dafür gesorgt, dass Europa jetzt deutlich mehr für die Verteidigung ausgebe als zu Beginn seiner ersten Amtszeit, sagte Rutte. Wenn man sich ansehe, was unter Trump in den vergangenen Wochen passiert sei, „das ist wirklich atemberaubend“.
Das „atemberaubend“ könnte verschieden ausgelegt werden, doch bei Rutte klang es durchweg positiv. Er schwärmte von den 800 Milliarden, die die Europäer zusätzlich in die Verteidigung stecken wollen und davon, dass die Nato unter Trumps Führung wiederbelebt werde. Er sprach nicht von Kanada, dem Panamakanal, Gaza und Grönland, die Trump alle übernehmen will.
Als Trump davon spricht, Grönland zu übernehmen, weicht Rutte aus
Ein Stichwortgeber unter den zugelassenen Reportern warf Trump dann diese Frage zu: Ob er Grönland annektieren wolle? „Nun, ich denke, das wird passieren“, antwortete der US-Präsident. „Ich habe bisher nicht viel darüber nachgedacht, aber ich sitze hier mit einem Mann, der der ganzen Sache sehr förderlich sein könnte.“
Danach wiederholte Trump sein Grönland-Mantra. Amerika brauche die Insel aus Sicherheitsgründen, aus internationalen Sicherheitsgründen, „weil da viele unserer Lieblingsspieler an der Küste herumkreuzen“. Mark Rutte, der Nato-Chef, sagte dann nicht, dass es eigentlich nicht vorgesehen sei, dass Nato-Länder einander ganz oder teilweise annektieren. Er sagte: „Diese Diskussion ist nicht für mich, ich möchte die Nato da nicht reinziehen.“ Rutte lachte kurz.
Das war eine eigenwillige Reaktion, wenn man bedenkt, dass Dänemark zu den Gründungsmitgliedern der Nato gehört und die dänische Premierministerin Mette Frederiksen gerade erst wieder betonte, dass die Vereinigten Staaten der engste Verbündete Dänemarks seien. Anschließend gab Rutte dem US-Präsidenten „absolut recht“, was den hohen Norden angehe. „Die Chinesen nutzen die Routen, und wir wissen, dass die Russen aufrüsten.“
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Die als Vergeltung gedachten Abgaben sollen nun erst Mitte statt Anfang April in Kraft treten. In Europa waren zuletzt auch warnende Stimmen laut geworden. Deutschland aktualisiert seine Reisehinweise für die USA.
Rutte lobt Trump für seinen Dialog mit Russland
Er dankte Trump auch, dass er im Falle des Krieges in Osteuropa „die Sackgasse verlassen“ habe. „Die Tatsache, dass Sie das getan haben, dass Sie den Dialog mit den Russen und die erfolgreichen Gespräche in Saudi-Arabien begonnen haben, und jetzt mit den Ukrainern, dafür möchte ich Ihnen wirklich ein Lob aussprechen“, sagte Rutte. Er hoffe, dass Russland „den Deal“ auch mitmache, sagte Trump, wobei nach wie vor unklar ist, was dieser Deal für einen Waffenstillstand von Russland verlangt.
Mit Präsident Putin verstehe er sich sehr gut, berichtete Trump. Außerdem deutete er auch in Ruttes Gegenwart seine Pläne in Bezug auf Kanada an. „Und um ehrlich zu sein, Kanada funktioniert nur als Bundesstaat“, sagte Trump. „Eine künstliche Linie“ sei da gezogen worden, er meinte offenbar die Grenze zwischen den USA und Kanada, einem weiteren Nato-Mitglied. Dass ihm, seinem Vize J. D. Vance, dem Verteidigungsminister Pete Hegseth und dem Sicherheitsberater Mike Waltz der Nato-Generalsekretär Rutte gegenübersaß, schien ihn nicht zu kümmern.
Zu den Kommentaren in Bezug auf Grönland war man in Dänemark, zu dessen Territorium Grönland gehört, und in Grönland selbst konsterniert bis entsetzt. Rasmus Jarlov, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im dänischen Parlament und Mitglied der Konservativen Volkspartei (KF), schrieb auf X: „Wir schätzen es nicht, wenn der Nato-Generalsekretär mit Trump solche Witze über Grönland macht. Das würde einen Krieg zwischen zwei Nato-Ländern bedeuten.“
In Grönland werden Trumps Äußerungen scharf kritisiert
Der noch amtierende grönländische Premierminister Múte B. Egede rief die Parteivorsitzenden zu einer außerordentlichen Versammlung zusammen und schrieb auf Facebook: „Jetzt hat der amerikanische Präsident erneut die Idee einer Annexion ins Spiel gebracht. Das kann ich auf keinen Fall akzeptieren. Dieses Mal müssen wir unsere Ablehnung gegenüber Trump verschärfen. Wir dürfen uns nicht weiter mit Respektlosigkeit behandeln lassen. Genug ist genug.“
Egedes vermutlicher Nachfolger, Jens-Frederik Nielsen, dessen Partei Demokraatit bei der Parlamentswahl am Dienstag mit 29,9 Prozent stärkste Partei wurde, schrieb auf Facebook: „Trumps Erklärung ist unangemessen.“ Nielsen hatte am Wahlabend einem amerikanischen Sender gesagt: „Wir wollen nicht Amerikaner werden. Wir wollen auch keine Dänen sein. Wir wollen Grönländer sein und zukünftig unsere eigene Unabhängigkeit.“
Bei dem Pressegespräch im Weißen Haus nahm Trump den Begriff der Annexion nicht selbst in den Mund, sprach aber später explizit über die Möglichkeit, mehr Soldaten nach Grönland zu schicken: „Wir haben bereits einige Stützpunkte in Grönland, und dort sind relativ viele Soldaten stationiert. Vielleicht werden wir immer mehr Soldaten sehen, die dorthin gehen.“ Das US-amerikanische Militär betreibt im Norden Grönlands die Pituffik Space Base.
Trump stellte dann noch den Status Grönlands in Frage. Dänemark sei „sehr weit weg und hat eigentlich nichts zu bieten“, sagte er. „Was ist passiert? Vor etwa 200 Jahren ist dort ein Boot gelandet. Sie sagen, sie hätten Rechte daran, und ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich glaube eigentlich nicht, dass das so ist.“ Rutte widersprach nicht.
Vielleicht fragte sich der eine oder andere Zuhörer, was in diesem Moment wohl der frühere Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen gesagt hätte – ein Däne.