Griechisches Parlament:Abstimmung über die Zukunft von Alexis Tsipras

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Wie viele Unterstützer hat der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras noch in den eigenen Reihen? (Foto: REUTERS)
  • Das Parlament in Athen stimmt an diesem Mittwoch über das von der Regierung beantragte zweite Reformpaket ab.
  • Gesetzesentwürfe zur Abschaffung der Frühverrentung und der Steuererleichterungen für Landwirte stehen nun doch nicht mehr auf der Tagesordnung.
  • Für Ministerpräsident Tsipras ist die Abstimmung wegweisend. Bekommt er nicht mindestens 120 Stimmen im eigenen Lager, kann er nicht weiterregieren.

Von Daniel Brössler, Brüssel, und Mike Szymanski, Athen

Neue Reformen, ja oder nein, darüber müssen die griechischen Abgeordneten an diesem Mittwochabend abstimmen. Dass das zweite Reformpaket durch das Parlament kommt, gilt eigentlich als sicher - doch die Parlamentarier stimmen nicht nur über die Gesetzesentwürfe ab, sondern letztendlich auch über die Zukunft ihrer derzeitigen Regierung.

Um welche Reformen geht es konkret?

Im Zentrum steht eine Justizreform und die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Bankenabwicklung. Bei der Justizreform geht es darum, dass Zwangsversteigerungen erleichtert werden, wenn Schuldner ihre Kredite nicht mehr bedienen können. Zivilverfahren insgesamt sollen beschleunigt werden.

Die Bankenrichtlinie legt fest, dass bei einer Insolvenz nicht mehr zuerst die europäischen Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, sondern zuerst die Anteilseigner des Instituts und am Ende die Konteninhaber. Das Bankengesetz soll Spareinlagen bis 100 000 Euro sichern, Sparervermögen ab 100 000 Euro werden im Falle einer Insolvenz belangt.

Welche eigentlich zur Abstimmung gedachten Reformen spart Tspiras aus?

Nicht mehr auf der Tagesordnung für Mittwoch stehen Gesetzentwürfe, die die Frühverrentung abschaffen und Bauern die Steuerprivilegien nehmen sollten. In der Opposition gibt es vor allem unter den Konservativen ein großes Lager, das die Landwirte weiterhin schonen möchte. Ohne die Stimmen der Opposition kann Premier Alexis Tsipras die Gesetze aber nicht durchbringen - er regiert faktisch schon ohne eigene Mehrheit. Mindestens 32 Abgeordnete des Linksbündnisses Syriza lehnen weitere Sparvorgaben ab.

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Die Kreditgeber verlangen die schmerzhaften Beschlüsse zudem nicht ausdrücklich für diesen Mittwoch. Tsipras verschafft sich damit ein bisschen Luft und nimmt Druck von den Abgeordneten.

Was soll sich durch die Reform bei der Bauernsteuer genau ändern?

Die Bauern in Griechenland sollen so gut wie alle Steuerprivilegien verlieren. Als Landwirt zahlt man in Griechenland bislang 13 Prozent Einkommenssteuer, halb so viel wie viele andere. Der Diesel wird bezuschusst, Dünger ebenfalls. Zahlreiche Griechen, die ein Stück Land besitzen, aber längst nicht mehr als Landwirte tätig sind oder dies womöglich nie waren, versteuern weiterhin als Bauern. Ein gewaltiges Schlupfloch ist entstanden, das nun geschlossen werden soll.

Was sagt Brüssel dazu, dass manche Reformen heute ausgespart werden?

Verschiedene Medien hatten berichtet, die griechische Regierung werde versprochene Gesetze nicht fristgerecht verabschieden und den vereinbarten Zeitplan nicht einhalten. Das allerdings stimmt so nicht: In der EU-Kommission ist man gelassen, denn es war nie vorgesehen, dass eine Streichung der Steuervergünstigungen für Bauern heute verabschiedet wird.

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Tatsächlich findet sich diese Maßnahme nicht unter jenen Punkten, die im Beschluss des Griechenland-Sondergipfels spätestens bis 22. Juli verlangt werden. Dort ist nur von der Reform der Zivilprozessordnung die Rede, damit Gerichtsverfahren schneller und billiger werden. Außerdem wird die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken verlangt. Die EU-Kommission sieht also bislang keine Verzögerungen, erwartet aber dass die Abschaffung der Steuervergünstigungen für Bauern im Anfang August zu beschließenden Gesetzespaket enthalten ist.

Wie viele Abgeordnete werden gegen das Paket stimmen? Und was bedeutet das für Ministerpräsident Tsipras?

Für Tsipras steht schon fest, dass Dutzende Abgeordnete seines Linksbündnisses Syriza abermals die Zustimmung verweigern werden und er wieder die Stimmen der Opposition braucht. Er hat in den vergangenen Tagen den Druck auf die Abweichler erhöht. Daher ist fraglich, wie viele ihm tatsächlich die Gefolgschaft verweigern.

Vergangene Woche waren es 38 Syriza-Parlamentarier. Tsipras rechnet im eigenen Lager - und das umfasst die 13 Abgeordneten des rechtspopulistischen Koalitionspartners Anel - mit 123 Unterstützern. Viel weniger dürfen es tatsächlich nicht werden. Die Verfassung nennt 120 Abgeordnete als Untergrenze für eine Minderheitsregierung. Nikos Filis, Fraktionssprecher von Syriza, erklärte bereits: "Wenn wir nicht mindestens 120 Stimmen bekommen, werden wir so nicht weiterregieren können."

Kann sich Tsipras durch die Kabinettsumbildung leichter durchsetzen?

Der Ministerpräsident hatte in der vergangenen Woche mehrere Kritiker aus der Regierung geworfen, doch das hilft ihm im Parlament nun wenig weiter. Im Gegenteil: Die Entscheidung verärgerte eher noch die Opposition, auf dessen Stimmen Tsipras im Moment angewiesen ist. Vor allem die konservative Nea Dimokratia, die größte Oppsoitionspartei, hatte sich von Tsipras mehr erhofft, als dass er nur die Verweigerer der Sparpolitik durch enge Gefolgsleute ersetzt. Sie hätten gerne den einen oder anderen unabhängigen Experten im Kabinett gesehen.

Für Tsipras steht im Vordergrund, die wichtigsten Vereinbarungen mit den Kreditgebern zu treffen, damit wieder Geld fließt. Danach dürfte Griechenland relativ rasch auf Neuwahlen zusteuern. Tsipras würde das nicht wirklich ungelegen kommen. In Umfragen liegt Syriza im Moment weit vorn. Tsipras wird noch am ehesten zugetraut, das Land aus der Krise zu führen.

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