Wahl in Griechenland:Das sind die Konkurrenten von Tsipras

Wahl in Griechenland: Sie könnten von der Neuwahl profitieren: Panagiotis Lafazanis und seine Volkseinheit, Rechtsextremist Nikos Michaloliakos und der Konservative Evangelos Meimarakis.

Sie könnten von der Neuwahl profitieren: Panagiotis Lafazanis und seine Volkseinheit, Rechtsextremist Nikos Michaloliakos und der Konservative Evangelos Meimarakis.

(Foto: Imago/AFP/Bloomberg)

Wie bewerten die Griechen die kurze Amtszeit von Alexis Tsipras? Syriza wird wohl weniger Stimmen bekommen als im Janaur 2015. Profitieren könnten Konservative und Rechtsextreme.

Von Matthias Kolb

Die Griechen sind am Sonntag bereits zum fünften Mal in sechs Jahren an die Wahlurnen gegangen. Im August hatte Regierungschef Alexis Tsipras nach nur sieben Monaten seinen Rücktritt erklärt und Neuwahlen ausgerufen: Er will die Bürger darüber abstimmen lassen, ob sie seine bisherige Politik und den von ihm mit der Europäischen Union, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgehandelte Reformdeal gutheißen. Laut Innenministerium kostet diese Abstimmung 33 Millionen Euro.

Erste Prognosen sehen Tsipras' Syriza-Partei knapp vor der konservativen Nea Dimokratia (ND). Eine Besonderheit des griechischen Wahlrechts macht das Duell von ND und Syriza besonders spannend: Die Partei mit den meisten Stimmen erhält einen Zuschlag von 50 Sitzen im 300-köpfigen Parlament in Athen. Relevant ist zudem die Frage, wie viele der fast 20 Parteien oder Wahlbündnisse, die bei der Wahl antreten, die Drei-Prozent-Hürde überwinden.

Alexis Tsipras (Syriza)

Der einstige Hoffnungsträger der europäischen Linken durchlebt schwere Tage und Wochen: Tsipras' Popularitätswerte sind von 70 Prozent im März auf nur 30 Prozent gefallen und das Syriza-Linksbündnis hat sich im Streit um das Sparpaket gespalten.

Vor der Parlamentswahl in Griechenland

War sieben Monate lang griechischer Premier: Syriza-Chef Alexis Tsipras.

(Foto: dpa)

"Es scheint, als sei der Partei so ein bisschen die Verve und der Spirit verloren gegangen, die sie noch im Januar ausgezeichnet haben", analysierte Christos Katsioulis vom Athener Büro der SPD-nahen Friedrichen-Ebert-Stiftung vor der Abstimmung im Deutschlandfunk. Tsipras wirke schwach und es falle ihm schwer, die Bürger zu überzeugen, wieder für Syriza zu stimmen, so Katsioulis.

Denn Tsipras hat in seiner kurzen Zeit als Premier viele Wahlversprechen nicht einhalten können - er konnte weder die "barbarische Sparpolitik" beenden noch die Renten erhöhen oder die Steuern senken. Im Gegenteil: Es geht weiter mit der Austerität, die Renten werden noch schmaler und Abgaben wie die Mehrwertsteuer sind gestiegen. In Interviews und TV-Debatten verteidigte sich Tsipras mit den Worten "Wir haben gekämpft" - doch dieses Argument reicht vielen Wählern offenbar nicht mehr. Eine Koalition mit der konservativen ND hat Tsipras im zweiten TV-Duell, das er wie alle Auftritte ohne Krawatte absolvierte, ausgeschlossen.

Evangelos Meimarakis (Nea Dimokratia)

Für viele ist er die Überraschung dieses Wahlkampfs: Der 61-jährige Evangelos Meimarakis führte die konservative Nea Dimokratia (ND) den Umfragen zufolge auf das Niveau der regierenden Syriza-Partei. Der Mann mit dem imposanten Schnurrbart wurde auf Kreta geboren, sitzt seit 1989 im Parlament und kommt mit seiner volkstümlichen Art bei vielen Wählern gut an. "Er hat hohe emotionale Intelligenz und formuliert seine Ansichten in klar verständlicher Sprache", sagte Polit-Experte Dimitris Keredes dem britischen Observer.

Wahl in Griechenland: Macht sich Hoffnungen, der nächste griechische Premier zu werden: Evangelos Meimarakis, Chef von Nea Dimokratia.

Macht sich Hoffnungen, der nächste griechische Premier zu werden: Evangelos Meimarakis, Chef von Nea Dimokratia.

(Foto: AP)

In TV-Debatten und Interviews nannte Meimarakis den bisherigen Premier Tsipras einen "Lügner", doch zugleich wirbt er für eine große Koalition mit Syriza. Diese "politische Nationalmannschaft" sei nötig, damit es mit dem Land wieder aufwärts geht - und damit Hellas in der EU bleibt. Dies und die Westbindung Griechenlands sei nicht verhandelbar, sagte er kurz vor der Wahl der FAZ.

Dabei ist Meimarakis Teil des Polit-Establishments, das Griechenland in die Schuldenkrise geführt hat: Sowohl sein Vater als auch sein Onkel waren bereits Abgeordnete. Auch Meimarakis selbst hat keinen makellosen Ruf: In seiner Zeit als Verteidigungsminister zwischen 2006 und 2009 wurden immer wieder Korruptionsvorwürfe laut. Anders als sein Vorgänger Antonis Samaras verzichtet Meimakaris auf nationalistische Rhetorik. Zudem hat er die zerstrittenen Teile der Nea Dimokratia wieder zusammengeführt und die Partei wieder mehr in die Mitte gerückt.

Nikos Michaloliakos (Goldene Morgenröte)

Bisher ist die rechtsextreme "Goldene Morgenröte" (griechisch: Chrysi Avgi) die drittstärkste Partei in Griechenland (17 von 300 Parlamentssitzen) - und laut Prognosen bleibt dies auch so. Die aktuelle Verschärfung der Flüchtlingsdebatte, die Griechenland schon seit Jahren geführt wird, gibt den Rechtsradikalen weiter Auftrieb, deren Chef Nikos Michaloliakos noch bis Juli 2015 unter Hausarrest stand. Gegen ihn und viele andere Mitglieder der Parteispitze läuft derzeit ein Prozess wegen der Bildung einer kriminellen Organisation. Mehrere Mitglieder von Chrysi Avgi sollen 2013 den linken Rapper Pavlos Fyssas totgeschlagen haben.

Nikos Michaloliakos

Nikos Michaloliakos, der Chef der rechtsextremen Partei "Goldene Morgenröte".

(Foto: AP)

Gerade unter jungen Griechen, die zwischen 18 und 24 Jahre alt sind, ist die Goldene Morgenröte populär - sie sind besonders frustriert, dass der drastische Sparkurs mit strengen Auflagen der internationalen Geldgeber weitergeht. "Ein großer Teil der griechischen Gesellschaft ist weiterhin überzeugt, dass die gesamte politische Elite nichts taugt und einen Denkzettel braucht", sagte der Meinungsforscher Kostas Panagopoulos der Nachrichtenagentur Reuters. Für die Goldene Morgenröte zu stimmen, deren Symbole an die NSDAP erinnern, und die Einwanderer "umstellen und abschieben" will, sendete genau diese Botschaft aus.

Parteiführer Michaloliakos ist 57 Jahre alt und wurde zunächst ins Athener Parlament gewählt, bevor die Partei 2012 die Drei-Prozent-Hürde überwand. Er lässt sich von seinen Anhängern mit "Führer" anreden und hat die Existenz von Gaskammern sowie den Holocaust geleugnet.

Stavros Theodorakis (To Potami)

Sechs Prozent der Stimmen erhielt To Potami ("Der Fluss") bei der letzten Wahl im Januar 2015. An der Spitze der 2014 gegründeten Partei steht der ehemalige TV-Journalist Stavros Theodorakis, der im Wahlkampf schon mal in U-Bahn-Stationen hinein läuft, um mit Bürgern zu reden. Dort und in Interviews mit griechischen Medien betont der 52-Jährige, dass sich die neue Partei noch nicht korrumpiert habe: "Wählt uns, wir sind noch unschuldig."

Greek Prime Minister Alexis Tsipras At Presidential Palace

Stavros Theodorakis, Chef der 2014 gegründeten "To Potami"-Partei.

(Foto: Bloomberg)

Das Programm der Newcomer ist liberal und klar proeuropäisch und die 17 Abgeordneten haben stets für die Reformpakete gestimmt. Für den wahrscheinlichen Fall, dass weder Syriza noch Nea Dimokratia eine absolute Mehrheit erringt, könnte der populäre Theodorakis zum Königsmacher werden - dabei vertraut er nach eigener Aussage keiner der beiden Parteien. Gewisse Vorbereitungen sind schon getroffen: Theodorakis hat schon ein Team aus Experten um sich geschart, um als möglicher Minister einer Regierung gut arbeiten zu können. (mehr über die "Theodorakis-Show" in diesem Porträt von SZ-Korrespondent Mike Szymanski)

Panagiotis Lafazanis (Volkseinheit)

In der Regierung von Alexis Tsipras hatte Panagiotis Lafazanis von Januar an das Amt des Energieministers inne. Mehr Einfluss sicherte dem 63-Jährigen der Vorsitz des ultralinken Flügels innerhalb der Syriza-Fraktion - Lafazanis war mit Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou der lauteste Gegner von Tsipras' Kompromisskurs gegenüber EU, IWF und der EZB. Gemeinsam mit etwa 30 Abgeordneten stimmte er gegen die Teile des Reformpakets, so dass Alexis Tsipras schließlich zurücktrat und Neuwahlen ausrief.

Popular Unity far-left leader Lafazanis gestures during a meeting with Greek President Pavlopoulos at the Presidential Palace in Athens

Panagiotis Lafazanis, der Chef der neuen Partei Volkseinheit. Sie hat sich von Syriza abgespalten.

(Foto: REUTERS)

Die "Linke Plattform" der Syriza-Rebellen gründete flugs eine neue Partei namens Volkseinheit, der Lafanzanis nun vorsteht. Sie fordern die Wiedereinführung der Drachme und das Ende des "erpresserischen" Sparkurses - eine Kooperation mit der Syriza-Mutterpartei scheint ausgeschlossen. Der Ökonom und Abgeordnete Costas Lapavitsas ist Lafazanis gefolgt und sagte der SZ: "Wer jetzt radikale Veränderungen will, muss Volkseinheit wählen."

Lafazanis, der sich einst als Kommunist bezeichnete, mag deutliche Worte: Griechenland werde erpresst und die Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds seien "Imperialisten". Meinungsforscher erwarten, dass die Volkseinheit die Drei-Prozent-Hürde überwindet - diese Stimmen dürfte Syriza-Chef Tsipras schmerzlich vermissen.

Dimitris Koutsoumbas (Kommunisten KKE)

Rückkehr zur Drachme, einen Schuldenschnitt und ein Ende des "erpresserischen" Sparkurses von IWF, EU-Kommission und Zentralbank: Das fordern die griechischen Kommunisten und ihr Generalsekretär Dimitris Koutsoumbas schon seit Langem. Geht es nach ihm, sollten die Griechen nicht nur die Eurozone verlassen, sondern auch aus der Europäischen Union austreten. Und im Nato-Militärbündis hat Griechenland in den Augen der KKE sowieso nichts verloren.

Greece ahead of elections

Dimitris Koutsoumbas, der Chef der griechischen Kommunisten, bei einem Wahlkampfauftritt.

(Foto: dpa)

Schon die Eltern des 1955 geborenen Koutsoumbas waren Kommunisten - einige seiner Verwandten wurden von den Nazis hingerichtet. Anders als Volkseinheit oder Syriza war die KKE nie gezwungen, ihre Maximalforderungen an die Realität anzupassen - auch deswegen liegt sie in den Umfragen mit etwa fünf Prozent noch vor der Neugründung Volkseinheit.

Greece's political leaders prepare for a debate in Athens

Greece's political leaders prepare for a debate in Athens From R-L : Greece's former prime minister and leader of leftist Syriza party Alexis Tsipras, leader of conservative New Democracy party Evangelos Meimarakis, leader of far-left Popular Unity party Panagiotis Lafazanis, leader of centre-left Potami party Stavros Theodorakis, secretary general of the Greek Communist party Dimitris Koutsoubas, leader of right-wing Independent Greeks party Panos Kammenos and PASOK Socialist party leader Fofi Gennimata prepare for a political leaders' debate at the headquarters of state broadcaster ERT, in Athens, Greece, September 9, 2015. Greece's political heavyweights went head-to-head for the first time on Wednesday in campaigning for close-fought national elections, crossing swords over how to manage the country's third bailout as they made a play for undecided voters. REUTERS/Michalis Karagiannis

(Foto: REUTERS)

Fofi Gennimata (Pasok) und Panos Kammenos (Anel)

Zu den anderen Parteien, die sich Hoffnung auf den Einzug ins Parlament machen und deren Spitzenkandidaten an der ersten TV-Debatte teilnahmen, gehören unter anderem die sozialdemokratische Pasok mit Fofi Gennimata an der Spitze. Im Oktober 2009 hatte Pasok noch 43,9 Prozent der Stimmen erhalten, doch die Griechen straften die Partei an den Urnen später ab. Anfang des Jahres bekam die proeuropäische Partei knapp fünf Prozent - ein ähnlicher Wert erscheint auch jetzt wieder möglich. Die Partei wird als möglicher Partner für ein Regierungsbündnis mit Syriza und To Potami gehandelt. Diesen Herbst tritt Pasok als Teil des Bündnisses "Demokratische Koalition" an.

Greece's political leaders prepare for a debate in Athens

Bei der ersten TV-Debatte saß Pasok-Chefin Fofi Gennimata (ganz links) neben Panos Kammenos von den "Unabhängigen Griechen".

(Foto: REUTERS)

Die rechtspopulistischen "Unabhängigen Griechen" (Anel), die bisher mit Syriza eine Koalition bildeten werden von Panos Kammenos angeführt, dem bisherigen Verteidigungsminister. Anel muss den Umfragen zufolge darum bangen, die Drei-Prozent-Hürde zu überwinden - ähnlich wie Syriza wollte Anel die Sparprogramme beenden und viele Anhänger sind enttäuscht, dass diese Versprechen nicht umgesetzt wurden.

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