Süddeutsche Zeitung

Griechenland:Tsipras kann niemandem wirklich vertrauen

Der griechische Premier Tsipras braucht dringend Verbündete in Athen. Doch das Misstrauen ist groß. In der Opposition, aber auch in der eigenen Partei.

Von Mike Szymanski, Athen

Der Regierungssitz von Alexis Tsipras heißt Megaro Maximou, eine schöne Villa gleich hinter dem Parlament und dem Nationalgarten gelegen. Manchmal fährt der knallrote Athener "Happy Train" Touristen hier mit Gebimmel durch. Man könnte meinen, dies wäre ein guter Rückzugsort für einen Politiker, der in Brüssel gerade über das Schicksal seines Landes verhandelt. Aber das ist der Megaro Maximou in diesen Tagen nicht: Seitdem Tsipras aus Brüssel zurück ist, steht die Tür des Premierpalasts praktisch nicht mehr still. Und die im Nachbarhaus übrigens auch nicht. Dort residiert Prokopis Pavlopoulos, der Staatspräsident der Griechen.

Bis tief in die Nacht hinein kommen Politiker, um mit Tsipras zu reden. Am Donnerstag beginnen die Gespräche schon wieder früh am Morgen. Nicht nur die Vertreter seiner Linkspartei Syriza bekommen Termine. Auch die Opposition ist eingeladen: Die sozialdemokratische Pasok, die Konservativen von der Nea Dimokratia, die Leute der liberalen Partei To Potami. und die Rechtspopulisten der Anel, mit denen Syriza die Regierungsmehrheit stellt.

Tsipras braucht ganz dringend Verbündete. Ein neues Hilfsprogramm für Griechenland dürfte neue Härten für die Bevölkerung bedeuten. Was in Brüssel verhandelt wird, muss er in Athen durchs Parlament bringen. Nach neuesten Zahlen, die in Athen am Donnerstag die Runde machten, bricht die Wirtschaft in diesem Jahr ein. Statt 0,5 Prozent Wachstum steht in der Prognose nun ein Minus von drei Prozent. Das dürfte bedeuten, zusätzlich zwei Milliarden einsparen zu müssen. Tsipras' Syriza hatte versprochen, dass das Sparen ein Ende hat.

Nachdem sich beim Referendum am vergangenen Sonntag 61 Prozent der Bürger gegen weitere Einschnitte ausgesprochen hatten, tut sich vor allem die Regierungspartei schwer, Wort zu halten. Ohne Kompromisse droht der Grexit. Raus aus dem Euro will eine Mehrheit der Griechen aber auch nicht. George Pagoulatos, Professor für Wirtschaft und europäische Politik in Athen, beschreibt Tsipras' Dilemma so: "Er hat zu entscheiden, ob er einen Teil seiner Partei verliert oder das Land."

Panagiotis Lafazanis, Energieminister, ist Vertreter des radikaleren linken Flügels der Syriza, der Linken Plattform. Er machte am Donnerstag klar, dass er nicht bereit sei, eine neue Sparrunde mitzutragen. Um ein Auseinanderbrechen der Fraktion zu verhindern, würde die Abstimmung freigegeben, die Syriza-Parlamentarier könnten "ihrem Gewissen nach" abstimmen, kündigte ein Sprecher an.

Wirklich verlassen kann sich Tsipras auf niemanden. Das Misstrauen ist groß, auf allen Seiten. Ausgerechnet der Opposition fällt eine Schlüsselrolle zu, mit ihren Stimmen könnte Tsipras Griechenland im Euro halten. Der Interimsvorsitzende der Nea Dimokratia, Vangelis Meimarakis, drückt sich am Donnerstag aber um ein Treffen mit dem Premier. Der hatte angeboten, die Parteichefs über das weitere Vorgehen zu informieren. "Ich mag ihn, aber ich kann mir nicht vorstellen, warum er mich alleine sprechen will", sagt er. Er will Transparenz. Statt mit Tsipras zu reden, traf er sich mit dem Staatspräsidenten.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verfolgt genau, was in Athen vor sich geht. Am Donnerstag empfing er eine Delegation von Nea Dimokratia. Und auch To Potami hat einen Termin bekommen.

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SZ vom 10.07.2015
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