Süddeutsche Zeitung

Griechenland:Sieg der Opposition

Die konservative Nea Dimokratia gewinnt die Kommunalwahlen und stellt nun den Bürgermeister in Athen. In Thessaloniki aber gab es eine Überraschung.

Von Christiane Schlötzer, Athen

Die griechischen Konservativen sind weiter im Aufwind. In der zweiten Runde der Kommunalwahlen eroberten sie am Sonntag das Bürgermeisteramt der Hauptstadt Athen, mit dem 41 Jahre alten Kostas Bakoyannis. Auch der wichtige Posten des Gouverneurs von Attika, der größten Region, fiel an die oppositionelle Nea Dimokratia (ND). Damit werden künftig zwölf der 13 Regionen von Konservativen regiert. Premier Alexis Tsipras hatte bereits vor einer Woche nach schweren Verlusten für seine Linkspartei Syriza - bei der ersten Runde der Kommunalwahl und der Europawahl - vorgezogene Parlamentswahlen gefordert. Sie finden schon am 7. Juli statt. Die Konservativen streben hier die absolute Mehrheit an.

Dabei kann ND-Chef Kyriakos Mitsotakis auch auf den neuen Athener Bürgermeister zählen, beide verbinden familiäre Bande: Bakoyannis, der mit 65 Prozent der Stimmen gewählt wurde, ist ein Neffe von Mitsotakis. Sie gehören zu einer der ältesten Politikerdynastien, schon Mutter Dora war Bürgermeisterin von Athen und später Außenministerin. Bakoyannis' Vater Pavlos, er war Journalist und Politiker, wurde 1989 in Athen von Mitgliedern der Terrororganisation 17. November ermordet. Die Erinnerung daran ist noch wach, zumal einige griechische Anarchisten bis heute eine seltsame Verehrung für die offiziell aufgelöste Mördertruppe pflegen, die von 1975 bis 2000 insgesamt 23 Menschen tötete. Vor der Wahl versuchten ein paar dieser Anarchisten, Bakoyannis aus einem Restaurant zu vertreiben. Der blieb sitzen und forderte die jungen Leute auf, mit ihm zu trinken, die aber zogen lieber wieder ab.

Eine Überraschung gab es in Thessaloniki, der zweitgrößten Stadt. Dort siegte mit gut 66 Prozent ein Unabhängiger, Konstantinos Zervas, gegen einen ND-Mann. Zervas war in der Vergangenheit schon einige Zeit lang stellvertretender Bürgermeister von Giannis Boutaris, einem der ungewöhnlichsten Politiker Griechenlands, der im Alter von 76 Jahren nicht mehr antrat. Boutaris, ein ehemaliger Winzer, hat seit 2011 in Thessaloniki viele Tabus gebrochen. Er hat das jüdische und das osmanische Erbe der Stadt wieder ins öffentliche Licht gerückt. Von extremen Rechten wurde er dafür kritisiert. Im Mai 2018 wurde er auch körperlich angegriffen und verletzt.

In der Stadt Ioannina, im Nordwesten, wurde erstmals in Griechenland ein Bürgermeister gewählt, welcher der jüdischen Gemeinde angehört. Moisis Elisaf, Pathologieprofessor an der Universität der Stadt, bekam 50,3 Prozent der Stimmen. "Ich bin sehr bewegt", sagte Elisaf. In Ioannina lebten zu Beginn des Zweiten Weltkriegs etwa 2000 Juden, weniger als 200 überlebten die Deportationen und Verfolgungen durch die deutschen Besatzer.

Erstmals wurde nach einem von Syriza geänderten Gesetz gewählt, das den größeren Parteien die überproportionale Repräsentanz in den Stadträten nahm. In Thessaloniki sind nun 16 Parteien vertreten, ein Rekord. Bakoyannis versprach in Athen bereits parteiübergreifende Zusammenarbeit - für Griechenland eine neue Herausforderung.

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SZ vom 04.06.2019
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