Griechenland:Schwimmende Sperre

Die griechischen Behörden wollen mit einer kilometerlangen Kunststoffbarriere im Meer Flüchtlingsboote von der Küste ihrer Inseln fernhalten.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Athen plant schwimmende Barrieren gegen Migranten

Flüchtlinge kommen in einem Schlauchboot aus der Türkei auf der griechischen Insel Lesbos an. Die Regierung in Athen will künftig mit Kunststoffbarrieren Migranten daran hindern.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Mit einer kilometerlangen schwimmenden Kunststoffbarriere vor der Ägäisinsel Lesbos will der griechische Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos künftig Flüchtlingsboote an der Landung hindern. "Wir wollen sehen, ob das funktioniert, und wo es eingesetzt werden kann", sagte der Politiker der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) am Donnerstag dem Sender Skai in Athen. In der griechischen Presse wurden die geplanten Absperrungen mit Barrieren gegen Ölteppiche verglichen.

Gesucht wird laut einer Ausschreibung des Verteidigungsministeriums ein privater Anbieter, der einen 2,7 Kilometer langen schwimmenden Zaun herstellen kann. 50 Zentimeter soll er über die Wasseroberfläche ragen, Warnlichter sollen ihn nachts sichtbar machen. Die Kosten werden auf etwa eine halbe Million Euro geschätzt. Errichtet werden soll die Sperre im Norden von Lesbos, wo die Boote gewöhnlich anlanden. Die türkische Küste liegt hier in Sichtweite. Aus dem Ministerium hieß es, wenn die Abwehrbarriere funktioniere, könne man sie auf 13 bis 15 Kilometer verlängern. Panagiotopoulos verglich sie mit dem Zaun, den Griechenland 2012 an Teilen der Landgrenze zur Türkei gebaut hat. Die EU-Kommission teilte am Donnerstag mit, sie wolle Erklärungen von Griechenland zu den geplanten Barrieren.

Seit seiner Regierungsübernahme vor sechs Monaten will Premier Kyriakos Mitsotakis zeigen, dass sein linker Vorgänger Alexis Tsipras in der Flüchtlingsfrage viel zu nachgiebig agierte. Das Asylgesetz wurde verschärft. Es macht den Zugang zur zweiten Instanz für abgelehnte Bewerber fast unmöglich. Flüchtlinge, die sich "unkooperativ" zeigen, können aus dem Asylverfahren fallen. Die Zahl der Abschiebungen in die Türkei habe bereits deutlich zugenommen, sagt die Regierung. Auch türkische Medien haben dies berichtet.

Asylbehörden arbeiten künftig in Doppelschichten, um die Verfahren schneller abzuarbeiten

Mitsotakis reagiert damit auch auf eine veränderte Stimmung in der Bevölkerung. Auf den Inseln Lesbos, Chios und Samos, wo die Auffanglager seit Langem überfüllt sind, gab es vor einer Woche einen Generalstreik. Bürger protestierten dagegen, dass die Regierung neue, große geschlossene Lager bauen will. Mitsotakis schickte seinen neuen Migrationsminister Notis Mitarakis vor, den Posten hatte er eiligst erst geschaffen. Beim Krisentreffen mit den Bürgermeistern wurde man sich allerdings nicht einig. Diese verlangten, die alten Lager sollten erst ganz geschlossen werden, bevor neue entstehen. Dies aber konnte Minister Mitarakis nicht versprechen.

Am Donnerstag kündigte er an, die Asylbehörden würden künftig in Doppelschichten arbeiten, von sechs Uhr morgens bis zehn Uhr nachts. Damit sollten die mehr als 100 000 offenen Asylverfahren schneller abgearbeitet werden, schrieb die Zeitung Kathimerini. Am Dienstag hatte die griechische Regierung zudem eine neue Vereinbarung mit der europäischen Asylbehörde Easo unterzeichnet. Diese will ihr Personal in Griechenland von 500 auf 1000 Mitarbeiter verdoppeln und ihre finanziellen Ressourcen um 30 Prozent auf 36 Millionen Euro erhöhen.

Dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zufolge sind 2019 weit mehr Migranten als im Vorjahr illegal aus der Türkei auf den küstennahen griechischen Inseln gelandet: gut 74 0000. 2018 waren es etwa 50 000. Menschenrechtsorganisationen verweisen auf die Kämpfe in Syrien und die Gewalt in Afghanistan. Die meisten der Flüchtlinge, die in Griechenland ankommen, stammen aus diesen Ländern. Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" beklagte erneut die Zustände im größten Lager, in Moria auf Lesbos. Ihre Vertreterin in Griechenland sagte: "Wir sehen viele Kinder mit Diabetes, Asthma und Herzkrankheiten, die in Zelten unter miserablen, unhygienischen Umständen leben müssen."

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