Angela Merkel hat am Sonntag einen hinterhältigen Satz gesagt. Der Internationale Währungsfonds (IWF), so erklärte die Kanzlerin, habe das jüngste Hilfspaket für Griechenland mit ausgehandelt und werde sich deshalb auch an der Finanzierung beteiligen. Und: "Ich habe keinen Zweifel daran, dass das, was Frau Lagarde gesagt hat, auch Realität wird."
Beim ersten Hinhören mag der Satz noch recht freundlich klingen, er ist es aber nicht. Vielmehr sichert sich Merkel damit für den Fall ab, dass es am Ende anders kommt. Dreht man ihre Aussage nämlich um, dann lautet sie: Gibt der Fonds wider Erwarten doch kein Geld mehr, dann war seine Chefin Christine Lagarde nicht stark genug, sich im eigenen Haus durchzusetzen. Oder sie hat ihr Wort gebrochen. So oder so: Der schwarze Peter läge bei ihr.
Lagarde wird damit einmal mehr ein Opfer von Merkels innenpolitischem Kalkül. Tatsächlich nämlich spielt es für die weiteren Bemühungen um eine wirtschaftliche Stabilisierung Griechenlands schlicht keine Rolle, ob der IWF auch an der dritten Finanzierungsrunde mitwirkt oder dies erstmals allein den Euro-Staaten überlässt. Da er längst mit einem zweistelligen Milliardenbetrag engagiert ist und seine Expertise bei der Umsetzung struktureller Reformen weiterhin gefragt sein dürfte, wird er so oder so ein zentraler Akteur bleiben.
Die IWF-Chefin ist wenig glaubwürdig
Für die innerdeutsche Debatte, die unionsinterne zumal, ist die Frage, ob der IWF vollumfänglich an Bord bleibt, dagegen von zentraler Bedeutung. Vielen CDU/CSU-Abgeordneten gilt der Fonds nach wie vor als harter, unbestechlicher Sanierer, dem - anders als der EU-Kommission - politischer Klüngel fremd ist. Sein Mitwirken am Projekt Griechenland ist für manchen Parlamentarier gar die letzte aller denkbaren Rechtfertigungen, dem dritten Hilfsprogramm an diesem Mittwoch im Bundestag doch noch einmal zuzustimmen.
So sehr Merkel den IWF für innenpolitische Zwecke missbraucht, so wenig glaubwürdig ist umgekehrt auch Lagardes plötzliche Forderung nach einem Schuldenerlass für Griechenland. Mag sein, dass ein solcher Schritt nach erfolgreicher Umsetzung aller Reformen in einigen Jahren sinnvoll erscheint, um den Neustart nicht durch Altlasten zu gefährden. Vordringlich aber ist der Punkt nicht, denn für die Frage, ob ein Land seine Verbindlichkeiten schultern kann, ist ja nicht irgendeine Schuldenquote von Belang, sondern allein die jährliche Belastung für den Haushalt. Hier aber steht Griechenland nach zig Zinssenkungen und Laufzeitverlängerungen besser da als manch anderes EU-Land.
Europa hat genug Geld, seine Probleme alleine zu lösen
Das weiß natürlich auch Lagarde - was zeigt, dass auch sie nicht mit offenen Karten spielt, sondern taktiert. Verwunderlich ist das nicht, denn vor allem unter den asiatischen und südamerikanischen IWF-Mitgliedsländern nimmt die Kritik daran beständig zu, dass sich der Fonds ausgerechnet im reichen Europa über Gebühr engagiert. Zu Recht: Europa hat genug Geld, um seine Probleme allein zu lösen - und es ist nicht Aufgabe des Währungsfonds, den Preis für den Fortbestand einer unvollendeten und damit krisenanfälligen Währungsunion zu bezahlen. Der IWF sollte deshalb seinen politischen Nothilfeeinsatz in Europa beenden und sich auf seine eigentlichen Aufgaben besinnen.
Das hätte auch den positiven Nebeneffekt, dass sich Angela Merkel nicht mehr hinter dem Fonds verstecken könnte. Sie müsste vielmehr endlich die Verantwortung für die eigene Politik übernehmen und sich entscheiden, ob sie die politische Union tatsächlich vollenden oder Europa wieder auf eine reine Wirtschaftsgemeinschaft reduzieren will. Welche Variante sie auch wählt: Die Bundesbürger - und damit auch die Abgeordneten von CDU und CSU - könnten dann entscheiden, ob sie diesen Weg mitgehen wollen oder nicht.