Griechenland:Regierung der Anfänger

  • Der neue griechische Finanzminister Yanis Varoufakis kündigt an, alle Fundamente zerstören zu wollen, auf die sich die Oligarchie stütze.
  • Vize-Premier Giannis Dragasakis ist einer der wenigen im neuen Kabinett mit Regierungserfahrung.
  • Für die Außenpolitik ist Nikos Kotzias zuständig, ein früherer Kommunist.
  • Bei der Übergabe des Premieramts kommt es zu einem Eklat - der ausscheidende Regierungschef Antonis Samaras fehlte bei diesem Akt.

Von Christiane Schlötzer, Athen

Schon bevor die Athener Kabinettsliste am Dienstag offiziell bekannt gegeben wurde, konnte Yanis Varoufakis sich nicht mehr zurückhalten. Der 53-jährige Grieche teilte seine Berufung zum Finanzminister auf seinem persönlichen Blog mit. "Die Zeit, den Mund zu halten und sich mit dem Unausweichlichen abzufinden, sei gekommen, so hat man mir gesagt", schrieb Varoufakis und fügte hinzu, er halte nichts von solchen Vorgaben. Er werde daher "weiter bloggen", auch wenn solche Kommunikationsformen für einen Finanzminister sonst nicht üblich seien.

Der Mann, der bald seinem deutschen Kollegen Wolfgang Schäuble gegenübersitzen dürfte, zelebriert sein Rebellen-Image schon vom ersten Tag im Amt an.

Varoufakis, der nicht Mitglied von Syriza ist, gilt als eine Art Popstar unter den griechischen Ökonomen. An der Universität Athen ist er Professor für Wirtschaftswissenschaften und Ökonomische Theorie. Er hat in Großbritannien studiert und lange dort gelehrt, sowie in Australien und den USA. In zahlreichen Interviews hat der temperamentvolle Redner die Sparvorgaben für Griechenland verurteilt. Zudem kündigte er an, als Minister werde er die Fundamente zerstören, auf die sich die griechische Oligarchie stütze. Varoufakis hat aber auch erklärt, Griechenland müsse in der Euro-Zone bleiben. Er wolle deshalb "Vorschläge machen, die nicht einmal Wolfgang Schäuble ablehnen kann".

Dragasakis soll alle Ressorts beaufsichtigen

Vize-Premier wird Giannis Dragasakis, 68, eine der zentralen Figuren von Syriza. In seiner neuen Funktion soll Dragasakis alle Ressorts beaufsichtigen. Er ist einer der wenigen im neuen Kabinett mit Regierungserfahrung. Der Ökonom war 1989 in einem überparteilichen Kabinett Vizewirtschaftsminister. Von ihm stammt maßgeblich der Syriza-Vorschlag einer europäischen Schuldenkonferenz nach dem Vorbild der Londoner Konferenz 1953, die Deutschland seine Kriegsschulden erließ.

Als Mann der moderaten Töne gilt der 61 Jahre alte Giorgos Stathakis, der das neue Ressort für Wirtschaft, Infrastruktur Seefahrt und Tourismus führt. Der dritte Syriza-Ökonom in der Regierung ist Sohn eines Reeders, hat in England studiert und seine politische Karriere wie Vizepremier Dragasakis bei den Kommunisten begonnen. Schon am Dienstag machte Stathakis mit einer ersten Amtshandlung auf sich aufmerksam: Sein Ministerium stoppte die vollständige Privatisierung des Hafens von Piräus, der in Teilen bereits von einem chinesischen Unternehmen betrieben wird. Der Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung am größten Hafen des Landes werde nicht weiter verfolgt, sagte Vize-Schifffahrtsminister Thodoris Dritsas der Nachrichtenagentur Reuters. Die Privatisierung von Staatseigentum gehört allerdings zu den Auflagen der internationalen Geldgeber an Griechenland. Neben dem Ministerium für Wirtschaft und Seefahrt wurde auch das Ressort für "Produktiven Wiederaufbau, Energie und Umwelt" neu geschaffen. Es wird geleitet vom Vertreter der äußersten Linken, dem 63-jährigen Panayiotis Lafazanis, der studierter Mathematiker ist. Das traditionelle Verteidigungsressort übernimmt der rechte Koalitionspartner: Panos Kammenos von der Partei der "Unabhängigen Griechen" (Anel). Der 49-Jährige ist mit nationalistischen Tönen aufgefallen. Seine 13 Abgeordneten sichern Tsipras die Macht. Syriza kann mit 149 Sitzen in dem 300-köpfigen Parlament nicht allein regieren. Anel wird nur ein Ressort führen und sonst Staatssekretäre stellen. Für die Außenpolitik ist Nikos Kotzias zuständig, auch er ein früherer Kommunist. Kotzias hat in Marburg studiert und viele Jahre unter dem Sozialisten Giorgos Papandreou im Außenministerium gearbeitet. Das neue Kabinett ist gegenüber dem alten deutlich kleiner, das war ein Syriza-Wahlversprechen.

Bei der Übergabe des Premieramts gab es am Montag einen Eklat, der seither viele Gemüter erregt. Üblicherweise übergibt der scheidende Regierungschef das Amtsgebäude, das Megaro Maximou, an seinen Nachfolger. Dies ist eine zeremonielle Höflichkeitsgeste. Antonis Samaras fehlte aber bei diesem Akt. Auch Politiker seiner konservativen Partei Nea Dimokratia (ND) nannten dies "unmöglich" und "völlig unpassend".

Tsipras verweigert Eid

Kritik vor allem von der ND wiederum hatte Tsipras einstecken müssen, weil er als erster Premier einen religiösen Eid verweigert hat. Unterstützung bekam Tsipras nun von Bischof Lanthimos aus Alexandroupolis. Der teilte der Website "inkomotini.gr" mit, der Eid auf die Bibel sollte abgeschafft werden. "Für den, der nicht glaubt, ist es eine Parodie." Stattdessen sollte man lieber auf "Ehre und Gewissen" schwören. Gleichsam an Ehre und Gewissen der Griechen, die in den letzten Wochen vor der Wahl ihre Steuern nicht bezahlt haben, appellierte jetzt auch Syriza. Vor der Abstimmung waren, wie auch früher üblich, die Steuereinnahmen stark gefallen.

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