Süddeutsche Zeitung

Griechenland:Eine Frau des Fortschritts als mögliche neue Präsidentin

  • Katerina Sakellaropoulou soll das erste weibliche Staatsoberhaupt Griechenlands werden.
  • Die parteilose Richterin gilt als progressiv - vor allem in Umweltfragen.
  • Als Reaktion auf die Berufung hat sie ihr Facebook-Profil gelöscht.

Von Christiane Schlötzer

Der Premier begann mit einer Art Sprachkurs. "Der Staatsbürger ist männlich, die Demokratie weiblich", sagte Kyriakos Mitsotakis. Und es sei Zeit, dass Griechenland erstmals in seiner Geschichte ein weibliches Staatsoberhaupt wähle. Mitsotakis trat am Mittwochabend im Staatssender auf, nur um mitzuteilen, dass er sich für eine Kandidatin entschieden habe. Ein paar Stunden zuvor hatte er Katerina Sakellaropoulou am Telefon informiert, dass er sie dem Parlament zur Wahl vorschlagen werde; dem Amtsinhaber, Prokopis Pavlopoulos, hatte er für die letzten fünf Jahre gedankt.

Sakellaropoulou nannte die Nominierung in einer Erklärung "eine Ehre für mich und die moderne griechische Frau". Sofort legte sie ihr bisheriges Amt als Präsidentin des höchsten Verwaltungsgerichts nieder und löschte ihr Facebook-Profil. Was sie dort preisgegeben hatte, war der stilbewussten Juristin wohl zu persönlich: zum Beispiel ein Kinderbild, auf dem sie ein weißes Haarband trägt und mit aufgeschlagenem Schulheft in einer Bank sitzt.

Sakellaropoulou wurde am 30. Mai 1956 in Thessaloniki geboren, der zweitgrößten Stadt des Landes. Nach dem Jurastudium in Athen kam sie schon 1982 ans höchste Gericht und machte dort stetig Karriere, nur einmal unterbrochen durch einen längeren Aufenthalt an der Pariser Sorbonne. Im Oktober 2018 wurde sie Gerichtspräsidentin, auch da war sie die erste Frau.

Damals war der Linkspolitiker Alexis Tsipras Premier, und die parteilose Richterin, die politisch dem Mitte-links-Spektrum zugeordnet wird, war seine Favoritin. Mitsotakis wiederum ist ein Konservativer; dass er sich für Sakellaropoulou entschieden hat, bringt nun Tsipras, inzwischen Oppositionsführer, in die Bredouille. Schließlich hatte sich dessen Linkspartei schon auf eine zweite Amtszeit des bisherigen Präsidenten festgelegt. Damit sind die griechischen Verhältnisse auf einmal seitenverkehrt: Die Linke ist für einen Mann, einen Konservativen noch dazu, und die Konservativen sind für eine Frau, die als progressiv in Umweltfragen gilt.

Dafür sprechen einige ihrer Urteile, zum Beispiel gegen das in Griechenland notorische illegale Bauen. Sakellaropoulou unterrichtete zudem Umweltrecht in der Richterausbildung und ist Vorsitzende einer wissenschaftlichen Gesellschaft, die sich mit diesem Rechtsgebiet befasst.

Die Amtszeit des jetzigen Präsidenten endet Mitte März. Mitsotakis wolle sich mit der Wahl aber nun beeilen, sie auf den 21. Januar vorziehen, erwartet die konservative Zeitung Kathimerini. Seit einer Verfassungsänderung kann ein Präsident mit der einfachen Mehrheit von 151 Stimmen im 300-köpfigen Parlament gewählt werden, allerdings erst in der fünften Runde, wobei die erforderliche Stimmenzahl - beginnend mit 200 - von Runde zu Runde immer weiter sinkt. Diese Regelung wurde getroffen, weil an der Präsidentenwahl in Griechenland schon Regierungen zerbrochen sind.

Die Konservativen haben allein 158 Abgeordnete, sie bräuchten also keine Hilfe. Mitsotakis, so heißt es in Athen, suche aber eine breite Mehrheit. Der Premier, der sich gern als Versöhner und Reformer präsentiert, hatte im Juli 2019 nur fünf Frauen in sein Kabinett berufen. Auch diesen Imageschaden versucht er nun wohl wieder ein wenig gut zu machen.

Staatspräsidenten haben in Griechenland nur eine repräsentative Funktion, und gewöhnlich sind sie Juristen. Diese Tradition zumindest setzt Sakellaropoulou fort. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern aber ist sie keine Politikerin. Kommentatoren meinten, das könne ihr Ansehen eher heben. Auch das Image der Justiz aber ist in Griechenland nicht das beste, sie gilt als teils parteiisch und bisweilen korrupt. Gegen Katerina Sakellaropoulou aber sind keine solchen Vorwürfe bekannt. Solange ihr Facebook-Profil am Donnerstag noch erreichbar war, schickten Griechinnen Glückwünsche und rote Rosen.

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SZ vom 17.01.2020/het
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