Süddeutsche Zeitung

Griechenland sucht Nachfolger Papandreous:Politische Posse um neuen Premier

Erneut können sich die großen griechischen Parteien nicht auf einen neuen Regierungschef verständigen. Einmal mehr vertagen sie ihre Verhandlungen - und beschädigen mit ihrem tagelangen Hickhack die Glaubwürdigkeit Griechenlands weiter.

Christiane Schlötzer

Die Suche nach einem neuen Premier hat sich in Athen am Mittwoch zur politischen Posse entwickelt. Noch-Regierungschef Giorgos Papandreou hatte sich überraschend für den bisherigen Parlamentspräsidenten Filippos Petsalnikos als neuen Mann an der Spitze einer Übergangsregierung stark gemacht. Der Name des 60-jährigen Sozialisten wurde dann auch am frühen Abend von Politikern der beiden großen Parteien, der sozialistischen Pasok und der konservativen Nea Dimokratia (ND), genannt. Nur wenige Stunden danach aber berichtete der staatliche Fernsehsender NET, dass die Gespräche der Parteiführer abgebrochen worden seien, sie hätten keine Einigung erbracht. Gegen einen Premier Petsalnikos hatte es zuvor Widerstand sowohl aus der bislang regierenden Pasok wie aus der ND gegeben.

Nun soll die Suche nach einem gemeinsamen Kandidaten am Donnerstag fortgesetzt werden. Die besten Chancen auf das Amt des Premiers waren zunächst dem früheren Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos, eingeräumt worden. Der 64-jährige Ökonom soll aber Forderungen nach einer eigenständigen Personalauswahl gestellt haben, welche die Parteichefs nicht erfüllen wollten.

Das Tauziehen um die griechische "Einheitsregierung" dauerte am Mittwoch bereits den dritten Tag an. Bevor Papandreou am Abend zu Staatspräsident Karolos Papoulias ging, um seinen Personalvorschlag zu unterbreiten, hatte er in einer Fernsehansprache schon von einem "historisches Übereinkommen" der beiden Parteien gesprochen. Es übernehme jetzt "eine Regierung der politischen Kräfte", die "über Parteien und persönliche Neigungen hinausgeht", versicherte Papandreou. Währenddessen wurde von griechischen Medien verbreitet, von der ND sei beispielsweise mit dem bisherigen Favoriten Papademos überhaupt nicht über seine mögliche neue Aufgabe gesprochen worden.

Die Verwirrung hatte der Chef der Konservativen, Antonis Samaras, schon am Dienstag Abend gesteigert, nachdem er aus den eigenen Reihen unter heftigen Druck geraten war. Das nationalpatriotische Lager in der ND warnte Samaras vor Zugeständnissen an die Sozialisten. Sogar eine mögliche Spaltung der ND wollten politische Beobachter nicht ausschließen. Samaras ließ daraufhin wissen, er werde sich nicht der Forderung der Euro-Zonen-Chefs beugen, die von ihm eine schriftliche Garantie für die Umsetzung der bereits mit Brüssel vereinbarten Spar- und Reformschritte verlangen. Sein Wort müsse genügen, meinte Samaras und sprach von einer Frage der "nationalen Würde".

EU-Währungskommissar Olli Rehn reagierte prompt und bestand auf der schriftlichen Zusicherung, wie sie auch der damalige konservative Oppositionsführer in Portugal, Pedro Passos Coelho, in diesem Jahr vor den Parlamentswahlen in seinem Land abgegeben hat. Coelho ist inzwischen Ministerpräsident.

Aber nicht nur die ND machte die Verhandlungen kompliziert. Auch in der Pasok prallten Gegensätze aufeinander. Der Ökonom Papademos hatte sich offenbar ausbedungen, die für den Finanzbereich entscheidenden Posten in einem neuen Kabinett mit Personen seines Vertrauens zu besetzen. Das soll nach Angaben der Zeitung Kathimerini auf Widerstand des starken Mannes in der bisherigen Regierung gestoßen sein: Finanzminister Evangelos Venizelos wolle selbst weiter amtieren und habe sich gegen Papademos gewandt, hieß es in dem Blatt. Venizelos wiederum bestritt, dass er ein Veto gegen Papademos eingelegt habe.

Die EU hat die Auszahlung weiterer Kredite für das von einer Staatspleite bedrohte Griechenland wegen der jüngsten Turbulenzen in Athen gestoppt. Die nächste Tranche von acht Milliarden Euro soll erst fließen, wenn das Land eine neue Regierung auf breiter Mehrheit hat und deren führende Persönlichkeiten sich zur Umsetzung der Sparmaßnahmen verpflichtet haben.

Die Dramatik der Situation machte auch der Gouverneur der Griechischen Nationalbank deutlich. Giorgos Provopoulos sagte der Financial Times, jede weitere Verzögerung bei der Regierungsbildung "bedroht und beschädigt die Glaubwürdigkeit des Landes nur noch weiter". Nur eine starke Regierung könne Griechenlands Zukunft in der Euro-Zone sichern, sagte Provopoulos.

Schon im Dezember soll Athen ohne neue Kredite das Geld ausgehen. Die Unsicherheit hat auch zur Folge, dass immer mehr Griechen ihre Konten bei den Banken räumen. Daten der Nationalbank zeigen, dass das bei griechischen Banken hinterlegte Geld im September um weitere 5,46 Milliarden Euros geschrumpft ist, auf nun 183,2 Milliarden. Der Trend könnte zu einer ernsthaften Gefahr für die Banken werden. Die müssen demnächst auch einen Schuldenschnitt von 50 Prozent bei den griechischen Staatsanleihen in ihren Depots verkraften. Sie fürchten eine zumindest teilweise Verstaatlichung.

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SZ vom 10.11.2011/beu
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