Krise in Griechenland:Papandreou kämpft gegen das Chaos

Gewalt auf den Straßen, Chaos in der Regierung: Während Tausende Griechen gegen die Sparpolitik demonstrieren, muss Premier Papandreou eine Revolte in der eigenen Partei fürchten. Die Opposition verweigert ihre Hilfe im Kampf gegen den Staatsbankrott - nun will Papandreou offenbar seinen wichtigsten Reformpolitiker opfern.

Michael König

Wahrscheinlich ist, dass sie sich trotz allem duzten, so wie immer. Aber was genau der griechische Premier Giorgos Papandreou und Oppositionsführer Antonis Samaras am Telefon besprochen haben, wird ihr Geheimnis bleiben. Um das Land vor der Staatspleite zu retten, soll Papandreou eine große Koalition angeboten haben - und auch seinen Rücktritt. Samaras soll die Bedingung gestellt haben, das harte Sparprogramm mit Europäischer Union und IWF neu zu verhandeln. Das konnte Papandreou nicht zusichern. Am Ende legten beide auf. Ohne Einigung, dafür mit der Gewissheit, die Krise Griechenlands nicht besser gemacht zu haben. Eher im Gegenteil.

Die nächste Tranche des milliardenschweren Rettungspakets von Europäischer Zentralbank, den Euroländern und dem IWF wird dringend benötigt. Der IWF will aber seinen Teil nur überweisen, falls das griechische Parlament die Auflagen erfüllt - und ein neues Sparpaket absegnet. Ende Juli drohe der Staatsbankrott, heißt es aus Athen. Um das zu verhindern, will Papandreou die Vertrauensfrage stellen und sein Kabinett umbilden. So soll die Regierungspartei Panellinio Sosialistiko Kinima (Pasok, Gesamtgriechische Sozialistische Bewegung) wieder geeint werden.

Papandreou gilt als ausdauernd, nicht nur politisch. Der Sozialist ist sportbegeistert, er fährt viel Fahrrad und rudert. Nach seinem Wahlsieg 2009 trat der in den USA geborene Spross einer Politikerdynastie mit dem Anspruch an, sein Land in ein neues Zeitalter ohne Korruption und Vetternwirtschaft zu führen. Heute steht er vor einem Scherbenhaufen. Ob er die Kraft hat, Griechenland aus der Krise zu führen, hängt nicht an seiner Physis.

Aus Protest gegen die Sparpolitik der Regierung gaben am Donnerstag zwei Abgeordnete ihr Mandat zurück. Zwar dürfen zwei andere Pasok-Politiker nachrücken, die knappe Mehrheit bleibt bestehen. Doch griechische Kommentatoren sahen darin nur das erste Anzeichen eines Aufstandes, der für Papandreou das Ende seiner Regierung bedeuten könnte. Am Donnerstagnachmittag wurden die Pasok-Abgeordneten zu einer Sondersitzung einberufen.

Die Misere geht so weit, dass sich Staatspräsident Karolos Papoulias um die griechische Demokratie sorgt - ausgerechnet im Geburtsland dieses Regierungsystems. Er sei beunruhigt, dass "die politische Krise zu einer Krise der Demokratie werden könnte", sagte er nach Angaben des staatlichen Fernsehens vor Journalisten in Athen.

Die Opposition ist nicht gewillt, diese Krise abzumildern. "Es wird taktiert, auf beiden Seiten", sagt der deutsch-griechische Politkwissenschaftler und Europaexperte Janis Emmanouilidis im Gespräch mit sueddeutsche.de. "Die Angebote beider Verhandlungspartner waren so gestaltet, dass sie für die jeweilige Gegenseite kaum annehmbar waren."

Finanzminister als Bauernopfer

Papandreou wolle schnelle Neuwahlen verhindern und gemeinsam mit der größten Oppositionspartei, der konservativen Nea Dimokratia (ND) von Antonis Samaras, zunächst die Krise bewältigen. Der angedeutete Verzicht auf das Amt des Premiers könne auch als Versuch gewertet werden, sich gewissermaßen für die Nation zu opfern - um später damit Wahlkampf zu machen, vermutet Experte Emmanouilidis.

Krise in Griechenland: Premierminister Giorgos Papandreou muss um seine Macht fürchten. Mitten in der Finanzkrise droht Griechenland ein politischer Ausnahmezustand.

Premierminister Giorgos Papandreou muss um seine Macht fürchten. Mitten in der Finanzkrise droht Griechenland ein politischer Ausnahmezustand.

(Foto: AFP)

Der ND kann das nicht recht sein - in einer jüngsten Umfrage liegt sie momentan wieder knapp vor Pasok. Rasche Neuwahlen, noch vor der Überweisung oder im Herbst, könnten Oppositionsführer Samaras zugutekommen. "Es ist rational, dass Samaras schnelle Wahlen anstrebt. Aber es wirft die Frage auf, ob Machtinteressen über das Wohl der Nation gestellt werden", sagt Emmanouilidis.

Auch Papandreou muss sich diese Frage gefallen lassen - weil er Medienberichten zufolge bereit ist, seinen Finanzminister Giorgos Papakonstantinou zu entlassen. Der gilt zwar vor allem im Ausland als Antreiber der Sparpolitik und als wichtige Stütze der Konsolidierung Griechenlands. Auch Papandreou soll von ihm überzeugt sein. Aber bei reformfeindlichen Teilen innerhalb der Partei hat Papakonstantinou, der lange im Ausland gelebt hat, keinen leichten Stand. "Er wird innerparteilich für vieles in Haftung genommen und ist auch ein Hauptziel der Angriffe der Opposition", sagt Emmanouilidis. "Aber ich ziehe den Hut vor seiner Leistung, und auch unter seinen europäischen Kollegen genießt er hohes Ansehen."

Der Finanzminister hat - unter anderem - die Gehälter im öffentlichen Dienst gekürzt und die Mehrwertsteuer mehrfach angehoben. 28 Milliarden Euro sollen noch bis 2015 eingespart werden. Ohne diese drastischen Maßnahmen wäre Griechenland pleite. Doch viele Griechen sind des Sparens müde, sie fühlen sich von ihrer Regierung überfordert. Der Zorn auf die Politik wächst, in Athen demonstrieren seit Tagen Tausende Griechen gegen den rigiden Sparkurs. Am Donnerstag gab es vereinzelt gewaltsame Ausschreitungen, ehe Papandreou die Kabinettsumbildung ankündigte.

Nun will Papandreou, dessen Vater und Großvater bereits als griechischer Ministerpräsident fungierten, die Wut Medienberichten zufolge dadurch abmildern, dass er Papakonstantinou entlässt und womöglich ins Außenministerium versetzt. Als Nachfolger ist der einstige Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos, im Gespräch. Außerdem will Papandreou offenbar Nicht-Politiker in sein Kabinett einbinden. Gerüchten zufolge soll er Professoren von internationalem Renommee Ministerposten angeboten - aber schon Absagen kassiert haben.

"Wenn ihm die Kabinettsumbildung gelingt, könnte er die Fraktion im Parlament wieder auf seine Seite bringen", sagt Politikwisssenschaftler Emmanouilidis. Wenn nicht, dürften Papandreou noch einige unerfreuliche Telefonate ins Haus stehen.

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