Griechenland nach den Wahlen:Europa kann aufatmen

Nach den Parlamentswahlen ist klar: Die Griechen wollen Europäer bleiben. Sie haben begriffen, dass ihr Land an tiefgreifenden Reformen nicht mehr vorbeikommt und den europäischen Gläubigern verpflichtet ist. Nun ist es an der Europäischen Union, diesen Kräften Zeit zu geben, um die nötigen Reformen auf den Weg zu bringen. Nur auf diesem Weg lebt die europäische Idee.

Martin Winter, Brüssel

Nach der Wahl in Griechenland kann Europa durchatmen. Vorsichtig zwar, aber immerhin. Vor allem aber muss es jetzt ruhig Blut bewahren und sich nicht von nervösen Märkten irremachen lassen.

Der größte anzunehmende Unfall ist ausgeblieben. Die Griechen wollen Europäer bleiben. Syriza, die linksradikale Partei, der die Griechen in den letzten Wochen zugeströmt sind, hat zwar noch einmal zugelegt - aber sie hat nicht gewonnen. Gewiss, die Griechen haben die alten Parteien erneut abgestraft, die sie in ihr gegenwärtiges Elend geführt haben. Aber mit Maßen. Denn auch wenn die Wut über die jahrzehntelange Misswirtschaft von Konservativen wie Sozialdemokraten gleichermaßen gewaltig ist, so wollen die Griechen doch in Europa und im Euro bleiben.

Syriza wäre der sichere Weg raus aus der Europäischen Union gewesen. Die Mehrheit der Griechen hat deshalb - auch wenn sie sie vielleicht verachten - für die alten Kräfte gestimmt. Denn die haben zumindest begriffen, dass das Land an tiefgreifenden Reformen nicht mehr vorbeikommt und die Absprachen mit den europäischen und internationalen Gläubigern einhalten muss. Nun muss die Europäische Union diesen Kräften Zeit lassen, sich zu finden und eine Koalition der Reform zu bilden. Das verlangt nicht nur der Respekt vor der Wahlentscheidung der Griechen. Sondern das gebietet auch die politische Vernunft.

Niemand in der EU hat ein Interesse daran, Griechenland aus dem Euro-Raum zu jagen. Denn die Folgen wären politisch wie finanziell schwer kalkulierbar. In den vergangenen zwei Jahren sind zwar Brandmauern gegen ein Überschlagen des griechischen Feuers auf andere Länder wie Spanien oder Italien hochgezogen worden. Doch wie die jüngste Entwicklung in Madrid und die Sorgen um den Reformstillstand in Rom zeigen, sind sie wohl immer noch nicht hoch genug.

Gespenst eines zerbröselnden Euro-Raumes gebannt

Eine reformorientierte Regierung in Athen könnte in einer Zeit, in der ein amerikanischer Währungsspekulant und erstaunlicherweise auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) über den Tod des Euro schwadronieren, ein Signal sein, dass Europa stärker ist, als manche noch zu glauben wagten.

Wenn die Griechen jenen die Macht anvertrauen, die den harten, europäischen Weg gehen wollen, dann lebt die europäische Idee, die manche schon abgeschrieben haben. Es wird noch einiges brauchen, in Athen eine stabile Mehrheit zusammenzubringen und zusammenzuhalten. Die EU und der IWF könnten dazu einiges beitragen. Nicht indem sie von den mit Athen verabredeten, rigiden Spar- und Reformprogrammen Abstriche machen. Das würde das Vertrauen der Märkte in die Entschlossenheit der Europäer weiter erschüttern, die Krise entschieden anzugehen. Sondern indem sie den Griechen mehr Zeit geben, die Auflagen zu erfüllen. Auch Spanien wurde schließlich kürzlich erlaubt, sein Haushaltsdefizit ein Jahr später als verabredet in Ordnung zu bringen.

Gelingt es nun in Athen, Ruhe in die Politik und das Land auf den Weg der Reform zu bringen, dann nutzt das der EU insgesamt. Denn dann muss sich der EU-Gipfel Ende des Monats nicht damit beschäftigen, wieder einmal ein Chaos unter Kontrolle zu bringen. Sondern er kann sich einer neuen Finanzarchitektur für Europa und einem Wachstumsprogramm zuwenden. Das ist für die Bewältigung der Schuldenkrise in der Europäischen Union, die ja weit über Griechenland hinaus reicht, wesentlich wichtiger, als noch ein Rettungsprogramm, das nach ein paar Monaten schon das Papier nicht mehr wert ist, auf das es geschrieben wurde.

Auch wenn die Europäische Zentralbank und die EU-Finanzminister immer wieder kurzfristig werden eingreifen müssen, irrationalen Finanzmärkten in die Arme zu fallen, die Euro-Länder zu Tode spekulieren wollen, muss die Politik nun wieder anfangen, langfristig zu denken und zu gestalten. Dazu haben die Griechen ein wenig beigetragen. Das Gespenst eines Zerbröselns des Euro-Raumes scheint vorerst gebannt.

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