Führende Wirtschaftsexperten haben die europäischen Regierungen für ihren Umgang mit der Euro-Krise scharf kritisiert. "Die Euro-Krise zeigt immer mehr das Versagen der Politik", sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger der Welt am Sonntag. Er beklagt sich vor allem über den öffentlichen Streit zwischen den Beteiligten sowie über die Warnungen der Europäischen Zentralbank (EZB) vor einer Gläubigerbeteiligung. "Wenn alle Kämpfe öffentlich ausgetragen werden und die EZB mit Untergangsszenarien droht, braucht sich niemand zu wundern, wenn die Märkte aufgescheucht sind", sagte Bofinger.
Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Dennis Snower, warnte, die griechische Krise habe erhebliche Bedeutung für die europäische Konjunktur. "Sie ist ein unnötiges Problem, und weil die Politiker es nicht lösen, entstehen in Europa große Risiken und Unsicherheiten, das gilt besonders für die Finanzmärkte", sagte Snower der Zeitung. Er beklagt ein "völlig unnötiges Politikversagen".
Wim Kösters, Europa-Experte beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), stimmt in die Kritik ein: "Der Europäische Rat führt gegenwärtig nicht, er reagiert nur auf die Märkte und verschärft dadurch die Probleme, anstatt sie zu lösen." Von der viel diskutierten Beteiligung privater Gläubiger verspricht sich Kösters kaum Entlastung. "Wen wird es treffen? Banken in staatlicher Hand oder mit hoher staatlichen Beteiligung." Unter anderem nennt er die Hypo Real Estate und die Landesbanken. "So wird es letztlich wieder den Steuerzahler treffen und nicht die privaten Banken."
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) macht im Streit über die Beteiligung privater Gläubiger an der Griechenland-Sanierung inzwischen einen Kompromissvorschlag. Der Spiegel berichtet unter Verweis auf Pläne seines Ministeriums, die griechische Regierung solle im Rahmen eines zweiten Rettungspakets neben Hilfszahlungen von 90 bis 120 Milliarden Euro auch Anleihen des europäischen Rettungsschirms EFSF erhalten. Diese solle Griechenland dann an seine Banken weiterreichen, die die Papiere als Sicherheiten für ihre Geldausstattung bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hinterlegen können.
So wolle Schäuble einen Einwand der EZB ausräumen, an dem bislang ein Forderungsverzicht privater Gläubiger gescheitert ist, berichtet das Magazin. Die EZB hatte stets argumentiert, sie dürfe griechische Staatsanleihen dann nicht mehr als Sicherheit akzeptieren, weil diese auf niedrigste Bewertungsstufe herabgesetzt werden, wenn Griechenland nicht in vollem Umfang seine Zahlungsverpflichtungen erfüllt.
Die Euro-Finanzminister kommen an diesem Sonntag in Luxemburg zusammen und wollen über weitere Hilfen für Schuldensünder Griechenland beraten. Neben einem zusätzlichen Notpaket von bis zu 120 Milliarden Euro geht es auch um die Freigabe einer für Mitte Juli geplanten 12-Milliarden-Kredittranche der Europäer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) aus dem "alten" Hilfsprogramm.
Sollte das Geld nicht fließen, wäre Griechenland pleite. Damit der europäische Rettungsschirm EFSF für weitere Hilfen genügend Mittel bereitstellen könne, solle sein Finanzrahmen nach den deutschen Plänen so aufgestockt werden, dass er tatsächlich wie ursprünglich geplant 440 Milliarden Euro mobilisieren könne, meldet der Spiegel. Dazu sollten die Mitgliedstaaten ihre Bürgschaften für die EFSF verdoppeln. Deutschlands Anteil solle danach von 123 Milliarden Euro auf 246 Milliarden Euro steigen.