Süddeutsche Zeitung

Griechenland:Bloß kein "Grexit"

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Athen und Brüssel verhandeln erneut über Einsparungen. Die Bewertung der Gespräche könnte kaum gegensätzlicher ausfallen. Brüssel meldet einen "signifikanten Fortschritt". Athen meldet dagegen "signifikantes Misstrauen".

Von Alexander Mühlauer und Cerstin Gammelin, Berlin/Brüssel

Einigkeit ist selten zwischen Brüssel und Athen, besonders, wenn es ums Geld geht. Noch immer streitet Griechenland mit den Kreditgebern über Reformen. Ursprünglich sollte deren erste Überprüfung im Oktober 2015 abgeschlossen sein, doch daraus wurde nichts. Es wird also weiter verhandelt, zuletzt am Wochenende in Athen. Nachdem die Chefunterhändler abgereist sind, ist der Kampf um die Deutungshoheit entbrannt. Die Bewertung der Gespräche könnte kaum unterschiedlicher sein.

Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem meldete einen "signifikanten Fortschritt". Aus Athener Regierungskreisen verlautete jedoch "signifikantes Misstrauen". Griechenlands Finanzminister Euklid Tsakalotos soll sogar einen Wutanfall bekommen haben, als ein Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf noch härtere Einschnitte bei den Reformen gedrängt habe. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wiederum äußerste sich am Montag ungewöhnlich positiv. "Die Überprüfung hat Fortschritte gemacht", sagte Schäuble bei einer Podiumsveranstaltung in Berlin. Ein besonders schwieriger Bereich sei das Rentensystem. Dafür gebe es vielleicht keine Mehrheit im Athener Parlament. Und so suche man einen Weg, wie man das lösen könne, damit Griechenland auf dem guten Weg bleibe.

In Berlin und Brüssel ist ein klarer Wille erkennbar, die Verhandlungen nicht scheitern zu lassen. "Wir wollen auf jeden Fall eine neue Grexit-Debatte wie im Sommer vermeiden", sagte ein EU-Diplomat. Schäuble verwies auf die außergewöhnliche Lage angesichts der Flüchtlingskrise: "Griechenland hat bei der Sicherung der europäischen Außengrenzen eine besondere Last zu tragen und hat in den letzten Monaten Beachtliches auf den Weg gebracht."

Knackpunkt der jüngsten Gespräche war das Einsparziel von drei Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung. Ein Drittel davon soll durch die geplante Einkommensteuerreform kommen. In diesem Punkt besteht weitgehend Einigkeit, denn die Folgen träfen Besserverdiener. "Das ist etwas, was die Linke unterstützen kann", sagte Tsakalotos. Schwieriger wird es bei der Rentenreform, die das nächste Drittel an Einsparpotenzial birgt. Und auch beim letzten Prozent gibt es Probleme: Es geht um eine effektivere Verwaltung und die Frage, wie die Regierung mit Krediten umgeht.

Unklar ist außerdem, wie stark die Arbeit des geplanten Privatisierungsfonds forciert wird. Einen Vorschlag von griechischer Seite, mit dem schon Tsakalotos' Vorgänger Yanis Varoufakis bei den Gläubigern abgeblitzt ist, lehnten die Geldgeber erneut ab: eine Steuer auf Banküberweisungen. Die Unterhändler sollen am 2. April nach Athen zurückkehren. Bis zum griechisch-orthodoxen Osterfest am 1. Mai soll die Überprüfung abgeschlossen sein. Danach könnten die Gespräche über Schuldenerleichterungen beginnen.

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SZ vom 22.03.2016
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