Aus der Sicht des griechischen Premierministers ist die Sache klar: Das Ganze sei ein Fehler gewesen, erklärte er Anfang der Woche; "legal" zwar, weil von einem Staatsanwalt angeordnet, aber "politisch inakzeptabel". Kyriakos Mitsotakis hofft offenbar, dass die Sache damit vom Tisch ist; weiter also zum sommerlichen Tagesgeschäft. Doch so einfach will ihn die Opposition nicht davonkommen lassen.
Vergangene Woche war bekannt geworden, dass der Geheimdienst EYP monatelang einen führenden Oppositionspolitiker abgehört hatte: Nikos Androulakis, Vorsitzender der sozialdemokratischen Pasok und zugleich Europa-Abgeordneter. Androulakis hatte von einem Sicherheitsdienst des Europäischen Parlaments erfahren, dass es Versuche gegeben habe, sein Smartphone mit einer Spionage-Software namens Predator zu infizieren, die unter anderem Passwörter und den Browser-Verlauf ausspähen kann sowie Zugriff auf Kamera und Mikrofon ermöglicht.
Griechenland:Die Frau, die Athen umkrempeln will
Griechenlands zugebaute Hauptstadt gilt im Sommer als heißeste Metropole Europas. Eine Tatsache, die Eleni Myrivili als Hitzebeauftragte nicht hinnehmen will. Denn: Die hohen Temperaturen seien ein "unsichtbarer und heimtückischer Killer".
Zuvor war bereits ein griechischer Journalist vor Gericht gezogen, weil sein Telefon mit der Software infiziert worden waren. Die griechische Regierung bestritt öffentlich, Predator angeschafft zu haben. In jüngster Zeit häufen sich die Vorwürfe, Athen schränke die freie Berichterstattung im Land massiv ein; in der jährlichen Weltrangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen ist Griechenland inzwischen auf Rang 108 von 180 abgerutscht. Kein Land der Europäischen Union steht weiter unten auf der Liste.
Nachdem die Abhöraffäre um den Pasok-Vorsitzenden vergangene Woche ans Licht kam, traten zwei hochrangige Funktionäre von ihren Ämtern zurück: Panagiotis Konteleon, Chef des Gemeindienstes EYP, und Grigoros Dimitriadis, Büroleiter des Premierministers und obendrein dessen Neffe. Griechische Medien berichteten unter Berufung auf regierungsnahe Quellen, die Abhöraktion gegen Androulakis sei auf Wunsch des ukrainischen und des armenischen Geheimdienstes gestartet worden; man habe mehr wissen wollen über die Beziehungen des Politikers zu Russland, China und der Türkei. Die Botschaften der Ukraine und Armeniens in Athen dementierten die Meldungen vehement.
"Natürlich hätte ich das nie genehmigt"
Premier Mitsotakis gab sich in seiner öffentlichen Ansprache zum Abhörskandal zerknirscht, kündigte Reformen an, die den Geheimdienst stärkerer Kontrolle und Transparenz unterwerfen sollen, und beteuerte: "Ich wusste nichts davon, und natürlich hätte ich das nie genehmigt." Oppositionspolitiker bezweifeln das und verweisen darauf, dass Mitsotakis den Geheimdienst kurz nach seinem Regierungsantritt 2019 der Kontrolle seines Amtes unterstellt hatte.
Die linke Partei Syriza fordert Mitsotakis' Rücktritt und Neuwahlen. Der abgehörte Pasok-Chef selbst wirft der Regierung vor, sie habe ihre Glaubwürdigkeit verspielt und werde von der Mehrheit der griechischen Bevölkerung die "Ausgangstür" gezeigt bekommen. Zuvor hatten mehrere Regierungsvertreter Androulakis persönliche Gespräche über die Vorgänge angeboten; dies lehnte er ab und forderte stattdessen, es müsse alles öffentlich gemacht werden, etwa über einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Auch Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou, eine hoch angesehene Juristin, schaltete sich in die Debatte ein. Das Recht auf Privatsphäre sei ein Fundament einer demokratischen und liberalen Gesellschaft, sagte sie und forderte eine "sofortige und vollständige Aufklärung" der Abhör-Affäre. Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte mit Blick auf die Vorgänge in Griechenland, die Mitgliedsstaaten müssten "ihre Sicherheitsdienste kontrollieren und sicherstellen, dass sie die Grundrechte vollumfänglich respektieren".