Griechenland-Abstimmung im Bundestag:Wie ein CDU-Abweichler die Basis entzückt

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Der Abgeordnete Klaus-Peter Willsch will am Mittwoch Nein zu Griechenland-Krediten sagen. (Foto: picture alliance / dpa)
  • Der CDU-Bundestags-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch will gegen das Kreditprogramm für Griechenland stimmen.
  • Für seine Haltung erntet er Kritik in Fraktion und Landesverband. Die Basis in seinem hessischen Wahlkreis feiert ihn stattdessen.

Von Susanne Höll, Eltville-Rauenthal

Klaus-Peter Willsch ist an diesem Montag ein gefragter Mann. Nach Wolfgang Bosbach ist der aus Hessen stammende CDU-Bundestagsabgeordnete der deutschlandweit bekannteste christdemokratische Rebell in Sachen Griechenland.

Am späten Vormittag wird der 54-Jährige einem Nachrichtensender erzählen, wie er, der langjährige Kritiker der Euro-Rettungspolitik, die Griechenland-Diskussion beurteilt. Am frühen Nachmittag ist er in eine Fernsehsendung eingeladen. Aber vorher sitzt er noch auf dem hübschen Platz vor der gotischen Kirche von Rauen-thal, einst ein Winzerdorf im Rheingau, das heute zu Eltville gehört und auch zum Wahlkreis von Klaus-Peter Willsch. Es ist der letzte Tag des Weinfestes, Frühschoppen an der Kirche.

Willsch ist braun gebrannt - er war im Familienurlaub in Kroatien und ist bestens gelaunt. Er genießt die Popularität. Beim Frühschoppen ist der Andrang allerdings nicht groß. Das Wetter ist schuld. Erst war es glühend heiß, Sonntag hat es den ganzen Tag geregnet, nun ist der Himmel verhangen. Es weht ein kühler Wind.

Willsch wird auch am Mittwoch wieder mit Nein stimmen

Willsch rollt sich eine Zigarette, vor ihm steht ein Glas Riesling. Er hat sich fahren lassen zu diesem Termin. Mit am Tisch: der CDU-Ortsverbandschef von Rauenthal, Richard Storkebaum, gebürtiger Münsterländer und Betriebswirt in der Baubranche und Kathleen Cahill, Deutsch-Irin und Vorsitzende von 250 Christdemokraten im Kreisverband Eltville.

Man spricht, natürlich in diesen Tagen, über Griechenland. Und die Bundestagsabstimmung am Mittwoch. Willsch ist einer der 60 Unionsabgeordneten, die im Juli Kanzlerin Angela Merkel die Zustimmung zum Griechenland-Hilfspaket verweigerten und anschließend vom Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder schwer gerügt worden waren. Willsch wird auch am Mittwoch wieder mit Nein stimmen. Und wie kommt das bei seinen Leuten im Wahlkreis an? "Die Basis stimmt ihm zu", sagt Cahill. Storkebaum pflichtet bei: "Die Leute sehen das nicht anders als er."

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Willsch selbst erzählt, dass er im Wahlkreis hauptsächlich Zuspruch bekommt; allenfalls einmal die nervöse Frage, ob womöglich die Kanzlerin über viele Gegenstimmen stürze? Nein, sagt Willsch dann, die Kanzlerin werde sicher nicht stürzen. 2013 wurde er mit gut 51 Prozent wieder direkt in den Bundestag gewählt. Das gute Ergebnis sei sein Rückhalt, sagt er.

Auf Schäubles Haltung können sich die Unionsrebellen nicht mehr berufen

In seiner heimischen Hessen-CDU genießt er nicht ganz so viel Wohlwollen. Dort hat man für Rebellen vom Stil Willschs keine großen Sympathien. In der Landtagsfraktion wird vor Abstimmungen kontrovers diskutiert, abgestimmt wird hinterher aber entsprechend der Mehrheitsmeinung.

Die Leute in Rauenthal sehen das offenkundig anders. Zum Tisch kommt das Ehepaar Hirschmann, man kennt sich seit Jahrzehnten. Herr Hirschmann sagt, gleich zur Begrüßung: "Du machst das schon ganz richtig mit Griechenland." Und er erzählt, dass er ursprünglich ganz anderer Meinung war als Willsch, seine Ansicht aber geändert hat.

Eine Flasche Riesling wird zum Tisch gebracht, Willsch erklärt, warum aus seiner Sicht ein Austritt Athens aus dem Euro für alle Seiten besser gewesen wäre. Griechenland hätte seine neue Währung abwerten können, wäre wettbewerbsfähiger geworden und wirtschaftlich wieder auf die Beine gekommen. Mit Hilfe Europas, auch humanitärer Art. Hegte nicht Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) noch unlängst ähnliche Gedanken?

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Auf Schäubles Haltung konnten sich die Unionsrebellen bis vor einigen Wochen noch berufen. Jetzt allerdings nicht mehr. Willsch ist das egal. Auch Kauders Drohung, dass Nein-Sager nicht in europapolitisch bedeutsamen Ausschüssen sitzen können, trifft ihn nicht. Willsch war früher einmal im Haushaltsausschuss, musste schon nach der Wahl 2013 in den weniger bedeutsamen Wirtschaftsausschuss wechseln.

Im Wahlkreis aber hat er sich nicht geschadet, im Gegenteil, glaubt die Kreischefin Cahill. "Er hat Profil gewonnen. Und Profil ist das, was die Wähler suchen in der Politik", sagt sie.

© SZ vom 18.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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