Süddeutsche Zeitung

Abhöraffäre in Griechenland:Im Zweifel gegen die Aufklärung

Der Generalstaatsanwalt droht der zuständigen Behörde mit strafrechtlichen Konsequenzen, sollte sie ihre Ermittlungen zur Abhöraffäre fortsetzen. Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz werden lauter.

Von Tobias Zick, München

Während immer neue Enthüllungen die griechische Abhöraffäre anreichern, wird der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) immer lauter vorgeworfen, sie behindere systematisch die überfällige Aufklärung. Am Donnerstag verließen mehrere Abgeordnete der Opposition eine Sitzung des parlamentarischen Ausschusses, der für diese Aufklärung zuständig ist. Sie protestierten damit gegen eine Entscheidung der von der ND getragenen Mehrheit im Ausschuss: Diese hatte per Votum den Antrag abgelehnt, den Vorsitzenden der Behörde für Kommunikationssicherheit und Datenschutz (ADAE), Christos Rammos, in dem Gremium anzuhören. Der Jurist Rammos hatte selbst angeboten, die Abgeordneten über die bisherigen Erkenntnisse seiner Behörde zu unterrichten - unter Verweis auf das damit verbundene öffentliche Interesse. Zur Begründung, warum man darauf verzichten wolle, warf ein ND-Abgeordneter Rammos vor, er sei in der Angelegenheit politisch befangen.

Der Leiter der Behörde steht damit zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit im Kreuzfeuer aus dem Regierungslager. Erst vergangene Woche hatte Generalstaatsanwalt Isidoros Dogiakos der ADAE in einer Stellungnahme untersagt, in den Daten von Telekommunikationsunternehmen nach Hinweisen auf die Überwachung von Einzelpersonen durch den Geheimdienst zu suchen. Zuvor hatte einem Bericht des europapolitischen Nachrichtenportals Euractiv zufolge eine solche Prüfung der ADAE den Verdacht erhärtet, dass sowohl der bekannte Investigativjournalist Tasos Telloglou zeitweise unter staatlicher Überwachung gestanden hatte als auch der Europaabgeordnete Giorgos Kyrtsos, ein früherer parteiinterner Rivale von Premier Kyriakos Mitsotakis.

Die Behörde ist zum Störfaktor für den Premier geworden

Die ADAE ist mit ihrer von der Verfassung vorgegebenen Arbeit damit für Mitsotakis, der sich im Frühjahr in eine zweite Amtszeit wählen lassen will, zum Störfaktor geworden. Der Premier hatte die Affäre, die von Oppositionspolitikern auch als "griechisches Watergate" bezeichnet wird, bereits im Sommer hinter sich lassen wollen: Damals war etwa bekannt geworden, dass der Finanzjournalist Thanasis Koukakis nicht nur mit Genehmigung der Staatsanwaltschaft vom Geheimdienst abgehört worden war, sondern dass sein Smartphone auch mit einer neuartigen Spionagesoftware namens Predator infiziert worden war. Ein ähnlicher Spyware-Angriff auf den Oppositionspolitiker Nikos Androulakis misslang.

Der Chef des Geheimdienstes räumte seinen Posten, ebenso der Bürochef von Mitsotakis (zugleich ein Neffe von ihm), und aus Sicht des Premiers sollte die Sache damit zumindest politisch erledigt sein. Im Gespräch mit der SZ bekräftigte er im November, was er zuvor schon mehrmals gesagt hatte: Er habe von den regulären geheimdienstlichen Abhöraktionen wie auch vom Einsatz neuartiger Spionagesoftware "absolut nichts" gewusst, die Justiz gehe nun allen Vorwürfen nach.

Doch inzwischen mehren sich die Zweifel an der Rolle der Justiz in der Affäre. Generalstaatsanwalt Dogiakos drohte der Aufklärungsbehörde ADAE sogar mit strafrechtlichen Konsequenzen, sollte sie ihre Ermittlungen bei Telekommunikationsunternehmen fortsetzen. Er verwies auf den "besonders sensiblen Charakter des Themas der Aufhebung des Fernmeldegeheimnisses". Verstöße gegen geltende Bestimmungen durch ADAE-Mitarbeiter könnten, so Dogiakos, "unter bestimmten Bedingungen sogar zu einer vorübergehenden Freiheitsstrafe" führen. Während die Regierungspartei ND daraufhin erklärte, sie respektiere die Justiz "voll und ganz", bezeichneten Vertreter der linken Oppositionspartei Syriza die Stellungnahme des Generalstaatsanwalts als "eklatanten Verstoß gegen die Verfassung" und als Angriff auf die "Rechtsstaatlichkeit" des Landes.

Unterdessen kommen immer neue Details der Affäre ans Licht. Am Freitag berichtete das Investigativportal Insidestory unter Berufung auf Behördeninformationen, dass mehr als 20 Personen - also deutlich mehr als bislang bekannt - Ziel von Angriffen mit der Predator-Software geworden seien. Die Berichterstatterin eines Untersuchungsausschusses zu Spionagesoftware im EU-Parlament, die niederländische Europaabgeordnete Sophie in't Veld, bekräftigte unter Verweis auf die neue Enthüllung, der Einsatz von derartiger Software sei "unter allen Umständen illegal". Sie habe bei den zuständigen griechischen Behörden "schnellstmöglich" um Anhörung ersucht.

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