"Fridays for Future":"Naiv", "unanständig", "granatenmäßig dumm" - Kritik an Thunbergs Auftritt

Lesezeit: 4 Min.

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg (l.) steht neben der Palästina-Aktivistin Sara Rachdan auf der Bühne. (Foto: Peter Dejong/dpa)

Für ihre Parteinahme im Nahostkonflikt wird die Klimaaktivistin scharf kritisiert. Von Politikern, dem Zentralrat der Juden - und dem niederländischen Klimaaktivisten, der ihr das Mikro abnahm.

Von Sarah Crone und Christina Lopinski

"Naiv", "unanständig", "granatenmäßig dumm", "antisemitisch": Für ihren Auftritt bei einer Klimademo in Amsterdam, bei dem Greta Thunberg erneut klar für die Seite der Palästinenser im Nahostkonflikt Partei ergriffen hat, gibt es scharfe Kritik, von unterschiedlicher Seite.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, kritisiert die Klimaaktivistin als zumindest naiv und vielleicht sogar antisemitisch. Bei Welt-TV rief er am Montag die deutsche "Fridays for Future"-Bewegung auf, sich klarer von antiisraelischen Haltungen zu distanzieren. Schuster sagte wörtlich zu den jüngsten propalästinensischen Äußerungen Thunbergs: "Dass sie sehr, sehr naiv ist, steht - glaube ich - außer Zweifel. Antisemitismus zu unterstellen, ist immer ein schwerer Vorwurf. Aber das, was ich hier erlebe - da bin ich sehr nahe bei diesem Vorwurf."

Er kritisiert weiter, dass Thunberg die Klimabewegung und ihre Prominenz für den Protest gegen Israel benutze. Thunberg habe offensichtlich ein neues Thema gesucht, das sie mit Klimaaktivisten in Verbindung bringen wolle. "Dieser Mischmasch, der jetzt hier plötzlich zutage tritt", so Schuster, "ist absolut zu verurteilen." Gerade, weil viele Follower so jung seien und eventuell leicht zu beeinflussen, "ist es so gefährlich", warnt Schuster.

Der niederländische Klimaaktivist Erjan Dam, der Thunberg bei der Kundgebung in Amsterdam Kontra gab, warnt vor einer Spaltung der Klimaschutzbewegung. "Wenn Greta Thunberg oder andere führende Aktivisten ständig über die Palästina-Frage sprechen, sorgt das für Uneinigkeit", sagte Dam dem Spiegel in einem am Montagabend veröffentlichten Interview. Dam fordert: "Die Klimaschutzbewegung sollte sich auf ihr Kernthema konzentrieren: den Klimaschutz." Er jedenfalls sei enttäuscht: "Ich fühlte mich missbraucht - und viele andere Teilnehmer auch."

Dam war am Sonntag vor laufenden Kameras auf die Bühne gesprungen und hatte ins Mikrofon gerufen: "Ich bin für eine Klimademonstration hierhergekommen, nicht, um politische Ansichten zu hören."

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang nennt Thunbergs Äußerungen "nicht nur bedrückend, sondern absolut unanständig". Thunberg missbrauche an dieser Stelle das absolut notwendige und richtige Anliegen des Klimaschutzes für eine einseitige Position zum Israel-Palästina-Konflikt, so die Politikerin am Montag in Berlin. Lang warf Thunberg vor, die Täter nicht zu benennen und die Gräueltaten der Hamas nicht zu verurteilen. Man könne beinahe sagen, dass sie "am Ende Täter und Opfer vertauscht" und dass Thunberg "das Existenzrecht Israels zur Seite wischt".

Lang sagte, sie sei froh, dass Fridays for Future Deutschland klar Position bezogen und sich an die Seite von Jüdinnen und Juden gestellt habe. Dass die internationale Bewegung sich gerade so diskreditiere, könne jeden, dem am Klimaschutz gelegen sei, "eigentlich nur traurig machen".

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Auch der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, der für die Grünen im Bundestag saß, nennt es im WDR "granatenmäßig dumm, zu sagen, 'keine Klimagerechtigkeit im besetzten Land'". Gerade in Gaza und im Westjordanland seien die Auswirkungen des Klimawandels besonders drastisch, gleichzeitig sei Israel ein Land, "das mit Innovationen versucht, die Klimaanpassung voranzukriegen". Die einseitige Parteinahme von Thunberg im Nahostkonflikt nennt er "auf eine perfide Art und Weise unterkomplex".

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Noch schärfer urteilt CSU-Generalsekretär Martin Huber. "Greta Thunberg ist eine Antisemitin. Sie unterstützt Hamas-Fans und schürt Israel-Hass", schreibt er auf der Plattform X. Fridays for Future sei keine Klimabewegung mehr, "es ist eine von Judenhass durchsetzte Propaganda-Maschinerie".

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Was ist am Sonntag in Amsterdam geschehen?

Am Sonntag spricht Greta Thunberg auf einer Kundgebung bei einer Klimademonstration in Amsterdam über den Gaza-Krieg. Mit einem schwarz-weißen Palästinensertuch um den Hals ergriff sie Partei für die Palästinenser. Die Klimaschutzbewegung sei in der Pflicht, "auf die Stimmen jener zu hören, die unterdrückt sind und die für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen". Nach ihrer Ansprache übergibt sie das Mikrofon an eine junge Frau, die von "Völkermord in ihrem Land" redet. Thunberg sagt mehrmals: "No climate justice on occupied land" - keine Klimagerechtigkeit auf besetztem Land. Insgesamt 85 000 Menschen waren zu der Klimademo gekommen, sie wurde außerdem live gestreamt.

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Die Frau, die mit Thunberg auf der Bühne steht, ist die Aktivistin Sara Rachdan, eine palästinensische Doktorandin, die in Amsterdam lebt. "Ich will nur die Situation der Palästinenser erklären", sagt sie auf Englisch in einem der ersten Videos, die sie nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober auf ihrem Instagram-Kanal hochlädt. "Endlich", so sagt sie, würde sich das palästinensische Volk gegen die Besatzung wehren. Den Terroranschlag der Hamas erwähnt sie nicht.

Die Aktivistin fällt mit Holocaust-Vergleichen auf

Rachdans Radikalität wird deutlich, wenn man sich durch ihren Instagram-Account klickt. In ihrer Bio, also ihrem Social-Media-Steckbrief, steht der in Deutschland kürzlich verbotene Slogan "From the River to the Sea". Ein Bild zeigt Israels Premier Benjamin Netanjahu neben Adolf Hitler, auf dem die Angriffe auf Gaza mit dem Holocaust verglichen werden. Darauf steht: "Slaughter ongoing", das Schlachten geht weiter.

Es ist nur einer von vielen fragwürdigen Posts. Rachdan fällt auf mit Holocaust-Verharmlosung und Antisemitismus, außerdem mit Terror-Sympathien und propagandistischen Ansprachen. Erst kürzlich postete sie ein Foto von Leila Khaled, Mitglied der Terrororganisation PFLP, die 1969 mit 25 Jahren ein Flugzeug entführte. Inspirierend fände Rachdan diese Frau.

Ob Thunberg Rachdans Positionen kennt, ist unklar, freilich auch, ob sie sie teilt. Dennoch fällt Thunberg nicht zum ersten Mal mit einer deutlichen Positionierung gegen Israel und für Palästina auf. Bereits am 20. Oktober veröffentlichte die Klimaaktivistin auf ihrem privaten X-Account ein Bild, das sie und andere Aktivisten mit Plakaten zeigt, die eine "Befreiung Palästinas" fordern. Auf dem Schild, das Thunberg in den Händen hält, steht: "Stand with Gaza". Auf die Opfer des Angriffs der Hamas vom 7. Oktober ging sie nicht ein. Auf dem internationalen Instagram-Kanal von Fridays for Future wird wenige Tage später ein Statement veröffentlicht. Die "big powers", also Großmächte wie die USA, Deutschland und Großbritannien würden einen Genozid an den Palästinensern bejubeln. Außerdem würden Medien falsch informieren. Die "Befreiung Palästinas" wurde in diesem Tweet außerdem mit Klimagerechtigkeit gleichgesetzt.

Fridays for Future Deutschland musste sich schon einmal distanzieren

Nach heftiger Kritik an der Positionierung Thunbergs und dem Vorwurf von Antisemitismus veröffentlichte der schwedische Ableger von "Fridays for Future" ein Statement auf X, in dem sich die Bewegung zwar klar an die Seite der Palästinenser stellte, aber erstmalig auch die Kriegsverbrechen der Hamas verurteilte. Die Bewegung forderte einen sofortigen Waffenstillstand.

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Luisa Neubauer, das Gesicht der deutschen "Fridays for Future"-Bewegung, hatte sich zuvor in einem Interview mit Zeit Online enttäuscht von Thunberg gezeigt und sich von ihren Äußerungen distanziert. Die internationale und die deutsche Gruppierung seien gespalten.

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