Grenzstreit:Gefährliche Solidarität

Im Streit um die Seerechte im Mittelmeer sind Gut und Böse nicht eindeutig verteilt. Auch Griechenland überreizt seine Rechte und provoziert. Wenn die EU und vor allem Deutschland nun unbedingten Beistand für Athen versprechen, ist das nicht nur gefährlich, sondern auch falsch.

Von Tomas Avenarius

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan, vor langen Jahren ein Liebling der EU, hat in Europa schon lange keine gute Presse mehr. Und das zu Recht. Erdoğans skrupellose Einmischung in den Bürgerkrieg in Libyen, die Rückumwandlung der Hagia Sophia von einem Museum in eine Moschee und die Beschneidung der Meinungsfreiheit in der Türkei sprechen für sich.

All das darf aber nicht Vorwand sein, bei allen Konflikten den Schuldigen automatisch in Ankara zu verorten. Der Streit um die Erdgasvorkommen im Mittelmeer wird nicht allein von der Türkei angeheizt. Griechenland betreibt bei der Festlegung seiner Seegrenzen eine Politik des Maximalismus, der völkerrechtlich nicht gedeckt ist. Auch Athen schickt Kriegsschiffe, hält Flottenmanöver ab. Als EU-Mitglied kann sich Griechenland trotzdem der "vollen Solidarität Deutschlands und der EU" sicher sein, wie Außenminister Heiko Maas bei seiner erfolglosen Vermittlungsmission erklärte.

Aus türkischer Sicht war das eine diplomatische Meisterfehlleistung. Wenn sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dann auch noch als eine Art Napoleon 2.0 geriert, Kriegsschiffe schickt und erklärt, die Türken verstünden nur eine "klare Sprache", dann sollte sich keiner wundern, wenn im Mittelmeer demnächst geschossen wird.

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