Migrationspolitik:Faeser verspricht: keine langen Staus durch Grenzkontrollen

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigt "smarte Kontrollen" an den Grenzen an. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Um irreguläre Migration einzudämmen, soll es ab Montag an allen deutschen Grenzen Kontrollen geben – stichprobenartig. Der ehemalige EU-Kommissionschef Juncker sorgt sich um die Auswirkungen.

Vor dem Start der erweiterten Grenzkontrollen am Montag hat das Bundesinnenministerium weitere Details zu den geplanten Maßnahmen bekannt gegeben. Es solle „keine flächendeckenden, sondern gezielte Kontrollen“ geben, „um grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen und die irreguläre Migration weiter zu begrenzen“, erklärte das Ministerium. Die Bundespolizei werde die Kontrollen „flexibel und je nach den aktuellen Sicherheitserfordernissen vornehmen“. Umfang, Dauer und konkrete Orte für die Kontrollen hingen davon ab.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, dass Deutschland „weiterhin eng abgestimmt“ mit seinen Nachbarstaaten agieren und dafür sorgen werde, „dass die Menschen in den Grenzregionen, Pendler, Handel und Wirtschaft so wenig wie möglich von den Kontrollen beeinträchtigt“ würden. Der Bild am Sonntag sagte sie, dass es keine langen Staus geben werde. Sie sprach von „smarten Kontrollen, so wie die aktuelle Lage es erfordert“. Dennoch könnten Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden, hieß es aus ihrem Ministerium. Reisende und Pendler sollten bei Grenzübertritt ein Identitätsdokument wie einen Personalausweis oder Reisepass mitführen.

Die Innenministerin hatte angeordnet, dass es ab diesem Montag an allen deutschen Landgrenzen Grenzkontrollen geben soll, um die Zahl unerlaubter Einreisen stärker einzudämmen. Die zusätzlichen Kontrollen sollen zunächst sechs Monate andauern. Das betrifft Frankreich, Dänemark, Belgien, die Niederlande und Luxemburg.

An den Grenzen zu Österreich, Polen, Tschechien und der Schweiz gibt es solche Kontrollen schon. Auch an der Grenze zu Frankreich wurde zuletzt bereits kontrolliert, was die Bundesregierung unter anderem mit den Olympischen Spielen begründete. Kritik an den ausgeweiteten Kontrollen, die im Schengen-Raum nur in Ausnahmefällen vorgesehen sind, kam bereits aus mehreren europäischen Ländern, darunter Polen, Dänemark und Griechenland.

Scholz: Können uns nicht ganz auf alle Nachbarn verlassen

Bundeskanzler Olaf Scholz verteidigte das Vorgehen. „Irreguläre Migration ist nicht das, was wir wollen“, sagte der SPD-Politiker am Samstag bei einer Fragerunde mit Bürgern im brandenburgischen Prenzlau. Wenn wie im vergangenen Jahr 300 000 Menschen nach Deutschland kämen, von denen nur ein Teil einen Schutzanspruch habe, „dann ist das nicht gut“. Deshalb müsse man genauer hinschauen, wer ein Recht zur Einreise habe. „Denn wir können uns ja leider nicht ganz darauf verlassen, dass alle unsere Nachbarn es so machen, wie sie es machen sollen.“ Er betonte, dass man sich bei den Grenzkontrollen an europäisches Recht halten werde.

Merz verlangt „ehrliche Bilanz“ der Grenzkontrollen

Unionsfraktionschef Merz forderte, die Wirkung der Grenzkontrollen zu überprüfen. „Ich erwarte am Jahresende von der Bundesregierung eine ehrliche Bilanz, ob die von ihr ergriffenen Maßnahmen die Zahl von irregulär einreisenden Migranten merklich reduzieren“, sagte er der Bild am Sonntag. „Nur Zurückweisungen an unseren Grenzen hätten sofort einen Effekt.“

Ein gemeinsames Treffen zwischen Regierung, der Union als größter Oppositionskraft und Bundesländern zur Migrationspolitik war am Dienstag gescheitert. Die Union pocht auf weitreichende Zurückweisungen von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen – nach Einschätzung der Bundesregierung wären diese europarechtlich nicht zulässig. Stattdessen möchte die Ampel das Verfahren für sogenannte Dublin-Überstellungen beschleunigen. Dabei geht es um die Rücknahme Schutzsuchender durch jene EU-Länder, die für die Bearbeitung ihrer Asylverfahren zuständig sind – in der Regel ist das der Staat, wo jemand zuerst europäischen Boden betreten hat.

Juncker: „Ich bin kein Freund von Grenzkontrollen.“

Der ehemalige EU-Kommissionschef Juncker sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Ich bin kein Freund von Grenzkontrollen, weil sie mit massiven Unannehmlichkeiten für die Pendler verbunden sind.“ Stationäre Grenzkontrollen hält er für besonders problematisch. „Wenn es Kontrollen geben muss, dann wären mobile statt stationäre Kontrollen nicht an der Grenze, sondern im Hinterland weniger schwierig für Betroffene“, sagte er mit Blick auf die Grenze zu Luxemburg. Juncker sagte, er habe Verständnis dafür, dass man während der Fußball-EM zeitweise stationäre Grenzkontrollen gemacht hatte. „Jetzt um das Thema Flüchtlinge, Zuwanderer und illegale Einwanderer herum stationäre Grenzkontrollen für einen langen Zeitraum durchzuführen, das scheint mir nicht angebracht.“

Juncker war von 2014 bis 2019 EU-Kommissionspräsident. Im Schengen-Raum haben auch andere Länder wieder zeitlich befristete Grenzkontrollen eingeführt. „Ich sehe das mit Sorge“, sagte Juncker. „Dass man jetzt ohne viel Federlesen die Errungenschaft der europäischen Integration zur Disposition stellt, das macht mich schon besorgt.“ Es dürfe nicht sein, „dass man wieder in den Köpfen und in den Herzen der Menschen Grenzen entstehen lässt“.

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