Trotz zahlreicher Lockerungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie bleibt das grenzüberschreitende Reisen in Europa schwierig. Die EU-Kommission will an diesem Mittwoch einen Stufenplan vorlegen, der vorsieht, die Kontrollen flexibel und nur schrittweise wieder aufzuheben.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gerät zunehmend unter Druck, die vorerst bis 15. Mai geltenden Kontrollen an den deutschen EU-Binnengrenzen nicht mehr zu verlängern. "Es ist klar, dass die Reisebeschränkungen für die grenznahe Bevölkerung eine große Belastung darstellen", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Dienstag. Seehofer sei sich allerdings auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel darin einig, "dass wir sehr vorsichtig sein müssen".
Seehofer, der sich am Dienstag mit Amtskollegen aus europäischen Nachbarstaaten abstimmte, hält eine generelle Aufhebung der Reisebeschränkungen in Europa für zu riskant. Als denkbar galten in Berlin bestenfalls punktuelle Lockerungen wie die Öffnung geschlossener Grenzübergänge oder reduzierte Kontrollen. Eine Entscheidung wurde nicht vor Dienstagabend erwartet.
Mitte März hatte Seehofer angeordnet, die Grenzen zu Österreich, Frankreich, der Schweiz, Luxemburg und Dänemark zu kontrollieren. Die Maßnahme, die auf Wunsch einiger Bundesländer erfolgte, stößt inzwischen auf Kritik. "Es tut mir in der Seele weh, wenn ich sehe, dass die Schlagbäume in Europa wieder unten sind. Deshalb sollten wir in dieser Woche die Grenzschließung beenden und Europa wiederherstellen", sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) der Süddeutschen Zeitung.
Zumindest für die Grenze zu Luxemburg zeichnet sich eine Lockerung ab. "Es gibt Anzeichen dafür, dass die strengen Grenzkontrollen am 15. Mai aufhören", sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn der SZ. "Das wäre ein wichtiges Signal, dass die Grenzen in Europa keine Trennlinien zwischen den Völkern sind." Die kilometerlangen Staus in Luxemburg aufgrund der Kontrollen auf deutscher Seite seien bislang ein "Zeichen dafür, dass Europa nicht funktioniert". Die epidemiologischen Bedingungen müssten allerdings stimmen, um die Kontrollen aufheben zu können, räumte er ein.
Aus der Bundesregierung hieß es nach einem Telefonat zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, man wünsche sich ein gemeinsames europäisches Vorgehen. Im Falle Frankreichs wird dies durch die regional teilweise noch sehr angespannte Corona-Lage erschwert. Am Dienstag Abend wurde bekannt, Merkel habe bei einer virtuellen Sitzung der Unionsfraktion betont, ihr sei es wichtig, dass die Grenzkontrollen nicht "bis Ultimo" fortgeführt würden.
Im Auswärtigen Amt sucht man nach Möglichkeiten, Urlaubsreisen ins Ausland im Sommer zumindest teilweise zu ermöglichen. Bis 14. Juni gilt eine weltweite Reisewarnung. Überdies müssen sich Einreisende nach Deutschland in 14-tägige Quarantäne begeben. "Die Quarantäne-Regeln müssen zeitnah auf außereuropäische Reisen beschränkt werden", forderte Laschet.
Zudem setzte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die generelle Quarantänepflicht außer Vollzug. Die Richter gaben dem Eilantrag des Eigentümers eines Ferienhauses in Schweden statt. Die Quarantänepflicht wurde von Bund und Ländern vereinbart, ihre Umsetzung obliegt aber den Ländern. Die bayerische Staatsregierung sehe keine aktuelle Notwendigkeit, die Regelung zu verändern, sagte Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) am Dienstag. In Bayern gelte sie weiter.
Das Robert-Koch-Institut plädierte für ein europaweit abgestimmtes Vorgehen in Grenzfragen. Es komme darauf an, dass "die europäischen Staaten ähnliche Maßnahmen anlegen und in einem ähnlichen Stadium sind in ihrer Epidemiebekämpfung", sagte RKI-Vizechef Lars Schaade. In fast allen europäischen Staaten gingen die Infektionszahlen zurück. "Wenn es einen gewissen Gleichklang gibt und eine ähnliche epidemiologische Situation in den verschiedenen Staaten, dann kann man eine Grenzöffnung auch rechtfertigen", sagte Schaade.